Ebbe und Flut

Datum: Dienstag, 02. September 2014 07:50

Was für ein Sommer! Zwei Wochen durchgehend Sonne begleiteten unseren Familienurlaub an der Westküste Dänemarks. Natürlich sind wir gleich nach Ankunft und Ferienhaus-Check am ersten Abend ans Meer gedüst. Wir trauten unseren Augen nicht: hier konnte man mit dem Auto direkt bis an den Strand fahren. Kein Wadentraining beim Dünenwatscheln! Sonst musste ich immer wie das einzige Kamel einer arabischen Großfamilie mit Familienbadesachen-Rollkoffer, Gummitier, Decken, Surfbrettern und Verpflegung endlose Dünen hinauf- und hinabstapfen. Selbst den berüchtigten Sherpas aus dem Himalaya hätte ich als Dünenkamel Hochachtung abgerungen.
Diesmal war aber alles anders. Ich erklärte den Strand des kleinen Badeortes Vejers sofort zu meinem weltweiten Lieblingsstrand. Am ersten richtigen Urlaubstag packte ich auch gleich die Kids ein und düste auf vier Rädern ans Meer. Meine bessere Hälfte entspannte sich erst einmal im Ferienhaus. Am Strand angekommen, kam dann doch das Kamel in mir durch und ich schleppte unseren Strandhaushalt aus der Parkreihe im hinteren Strandbereich bis ganz nach vorn ans Wasser. Meine Kids sahen mich eher skeptisch an, da alle anderen Familien ihre Strandzelte etwas weiter entfernt vom Wasser aufgeschlagen hatten. Ob es denn hier Haie gibt? Quatsch, sagte ich, die anderen Papas sind vom vielen Strandparken nur zu faul geworden und schaffen die Strecke bis zum Wasser gar nicht mehr. Meine Kleine sah mich bewundernd an: „Stimmt Papa, du bist auch ganz schön stark!“ Wie gern würde ich mich manchmal mit ihren Augen sehen! Jedenfalls blitzen einmal beim Wechsel in die Badesachen unsere kreideweißen Urlaubsanfänger-Hinterteile auf und dann tobten wir zusammen ins Meer. Nach ein bisschen Wellenspringerei gings dann erst einmal zum Eincremen zurück zum Stranddomizil. Von unserem Ostseeurlaub hatten die Kids im Gegensatz zu mir noch schöne Erinnerungen an reichlich Spaß in den Dünen – und wollten gleich eine Partie „Dünengreife“ spielen. Dünengreife besteht daraus, dass die Kleinen durch die Dünen flitzen und sich im hohen Dünengras verstecken, während  Papa schweißtriefend hinterherstiefelt. Hätte ich nur vorher gewusst, dass Nordseedünen aus so viel mehr Sandbergen als die an der Ostsee bestehen! Und dass in Dänemark, wo man auch die Hunde mit an den Strand nehmen darf, offensichtlich riesenhafte Köter ihr Geschäft in den Dünen verrichten. Nach einer endlosen Jagd und zwei Tretminen gab ich die Dünengreife auf und rief wie mit den Kids vereinbart „Ich bin ein Verlierer, holt mich hier raus!“ – und direkt neben mir tauchten die Beiden wie die Sandmenschen in Star Wars aus dem Dünensand auf.
Wir stiefelten zurück zu unserer Stranddecke und wunderten uns schon beim Blick von der Düne, dass nun doch alle Familien näher ans Wasser umgezogen waren. „Siehste, das war den anderen Papas bestimmt peinlich.“ war der bewundernde Kommentar meiner Kleinen.
Als wir aber die Reihe der parkenden Autos passierten, dämmerte es bei mir langsam. Der Strand war plötzlich viel kürzer. An der Nordsee sind Ebbe und Flut natürlich etwas mehr zu spüren. Unsere Strandfläche war längst im Meer versunken. Der Junior moserte wegen seines Surfbretts und brabbelte ein „typisch Papa“, meine Kleine weinte bittere Tränen wegen ihrem Gummi-Delfin. Am Wasser angekommen, war nichts mehr zu sehen. Auf einmal setzte aber eine Polonaise von den umliegenden Strand-oasen ein. Es war wie Weihnachten, jeder brachte etwas von unseren Familienbadesachen zurück. Em Ende schaute mich meine Kleine vorwurfsvoll, aber wieder glücklich an. Sie deutete erst auf ihren Oberarm und dann auf ihren Kopf und sagte dazu: „Mensch Papa, nicht nur hier – auch da muss mans haben. Bei dir ist im Urlaub echt Ebbe im Kopf.“ Verdammt, mit ihren sieben Lenzen hatte sie Mamas Weisheit und das Prinzip von Ebbe und Flut schon besser verstanden als ich.               Euer lausitzDADDY