Das Blattmonster

Datum: Montag, 01. Dezember 2014 10:33

Wir Väter sind ja toll darin, uns mit den Kids in eine Sache so richtig zu vertiefen und alles um uns herum auszublenden. So war es bei uns zu Hause auch, als ich bei einem Sonntagsausflug mal wieder Regie führen durfte. Stets um eine pädagogisch wertvolle Gestaltung des Familienalltags bemüht, hatte ich eine große Herbstbastelei angesetzt. Die war im November mit vielen bunten Blättern und den letzten Kastanien auch gut aufgehoben. So kam ich mit den Kids und Tüten voller Natur-Krimskrams nach Hause und wir machten uns in der Küche ordentlich breit.
Natürlich ging das nicht so ganz mit den Plänen meiner besseren Hälfte einher, die während meines Ausflugs samt Kids in der Natur in der Wohnung für Sauberkeit gesorgt hatte. In der Küche war davon nach 5 Minuten Papa-Bastelclub nichts mehr zu sehen. Sie kennen sicher die Fragen: wie alt ich eigentlich sei, was ich mir dabei denke und ob ich das auch bei mir im Büro so machen würde. Natürlich wollte ich vor den Kids nicht wieder als der ewig scheiternde Pädagoge dastehen und sagte: gern können wir das im Büro machen, wir fahren am besten gleich los.
Gesagt, getan: wir aßen schnell einen Happen als Mittagsersatz, packten den ganzen Herbstkram in die Tüten und fuhren ins Büro, wo ein großer Besprechungstisch auch reichlich Platz hergab. Zur Schnelltrocknung der Blätter hatte ich sogar unseren Hochleistungsföhn eingepackt. Nachdem die ersten Blätter beim Föhnen eigenartige Flecken und Blasen auf der Oberfläche bekamen, zweifelten meine Kids allerdings an Papas Bastelkompetenz. Auch meine spontane Ausrede, dass wir so doch tolle Blattmonster basteln können und ich das ja von langer Hand so geplant hatte, durchschauten sie. Dafür klappte das Basteln kleiner Figuren mit Kastanien, Eicheln, einem kleinen Bohrer, Streichhölzern, viel Kleinkram wie Federn und jeder Menge Klebeaugen aber umso besser. Eine ganze Armee von Bären, Spinnen, Eulen und Fabelwesen stand nach einigen Stunden auf dem Tisch. Ich war stolz wie Bolle, hatte aber wie immer ganz die Zeit vergessen. Draußen wurde es schon dunkel.
Also räumten wir den Kram schnell in die Tüten und stellten die Herbstarmee in die Ecke des Besprechungsraumes. Zuhause machte ich den Kids schnell Abendbrot – und als meine bessere Hälfte von ihrer Freundin heimkam, lagen die Kinder fertig gebügelt im Bett und Superdaddy strahlte: die Kinder hatten viel Spaß, es war ein toller Tag, sie sind fertig geputzt, bin ich nicht toll?! Ein anfangs verschnupftes „okay“ machte dann schnell einem Lächeln Platz, allzulange kann mir meine Frau nicht böse sein. Dachte ich zumindest. Am Montagmorgen wurde ich dann aber eines besseren belehrt. Wie immer drehte ich mich noch von einer Seite auf die andere, als meine bessere Hälfte schon in der Wohnung herumwirbelte. Auf einmal explodierte sie: Wo denn die Schulmappen sind? Nichts ist gepackt. Ob ich mit den Kids wie abgesprochen die Hausaufgaben gemacht habe? Sekunden später war ich von meiner enttäuschten Frau und zwei weinenden Kindern umringt. Papa hatte wieder nur Kastanien und Monsterblätter im Kopf, beschwerten sich die Kleinen. Ich hetzte durch die Wohnung, packte die Mappen, fuhr sie zur Schule und rollte vor den Lehrern wegen der fehlenden Hausaufgaben den Gebetsteppich aus und nahm alle Schuld auf mich.
Danach ging es ins Büro, wo mich ausgerechnet an diesem Tag eine Kundenabordnung zu einer Projektbesprechung erwartete. Verdammt, das hatte ich im morgendlichen Trubel ganz vergessen. Ich spielte die Familienvater-Karte, von wegen immer hochengagiert für Kids und Familie, das zieht immer. Als wir aber den Besprechungsraum betraten, wäre ich statt Vater doch lieber Kammerjäger gewesen. Ich hatte am Vortag die Heizung nicht abgeschaltet und für eine wahre Ungeziefer-Bruthöhle gesorgt. Es war erstaunlich, wie viel Ungeziefer an nur einem Tag aus Tüten mit Herbstkram und eigentlich harmlos wirkenden Herbstfiguren quellen kann. Bei einem Blick auf die Monsterblätter in der Ecke schrie eine Kundin auf, voller Angst vor einem exotischen Virus im Raum. Pah, dachte ich trotz aller Verzweiflung, die Idee mit den Monsterblättern hat doch besser gefunzt als gedacht.           Euer lausitzDADDY