Am Puls der Zeit

Datum: Mittwoch, 31. Mai 2017 10:57

Liebe Eltern, mal ganz ehrlich: in Sachen digitaler Kommunikation ist für uns doch längst der Zug abgefahren. Da daddeln unsere gerade den Windeln entschlüpften Kids am Smartphone herum und versenden kaum noch Textbotschaften, sondern eine Aneinanderreihung quietschbunter Symbole und entfachen so eine ellenlange Debatte mit ihren Freunden. Emoticons, oder liebevoller Emojis, heißen diese Botschafter und sind für unseren Nachwuchs scheinbar so etwas wie für den Neandertaler die Höhlenmalerei. Als mein Junior sein Smartphone vor Kurzem einmal abparkte, versuchte ich das mal in einem seiner aktuellen Chatverläufe zu entschlüsseln. Wurde früher mal ein Smiley an eine SMS angehängt, regieren heute meist zehn oder mehr Emojis über wenige Buchstaben. Es gibt sie zu allen Themengebieten und Gefühlslagen. Waren wir in der realen Community früher total euphorisch, wenn es neue Sammelsticker zur Fußball-WM gab, so geht heute bei den Kids ein Raunen durch die Smartphones, wenn Whatsapp neue Android-Emojis ankündigt. Unser Großer hat soger ein Programm, mit dem man Emojis individualisieren kann – und hat sich und seine Freunden als personalisierte Emojis auf dem Smartphone. Ich will mir gar nicht vorstellen, was die da alles treiben, Symbole gibt es inzwischen ja für jede Aktivität.

Interessiert wie ich bin, fragte ich jedenfalls bei meinem Junior nach und er erklärte mir ein paar Nachrichten. Als Daddy will man ja zeitgemäß und cool unterwegs sein – und so begab ich mich am Folgewochenende in den Dschungel digitaler Bildchen. Es ist der helle Wahnsinn, wie schnell ein vermeintlich gestandener Erwachsener in dieser Welt untergeht. Emojis führen zur Infantilisierung selbst 50-jähriger. Das merkte ich in der Folgewoche, als ich Geschäftsfreunden per Whatsapp mal ein paar mehr bunte Botschaften zumutete – und diese prompt in gleicher Form reagierten. Wow war ich am Puls der Zeit!
Im Überschwang der Gefühle kam es dann aber zum Eklat – und das ausgerechnet bei einem guten Geschäftspartner. Ich hatte gerade einen Emoji-Chat mit meinem Junior hinter mir und beim Durchstöbern der aktuellsten Symbolchen ganz die Zeit und einen wichtigen Termin vergessen. Verdammt. Per Telefon konnte ich dort niemanden erreichen und musste dann auch schon zum nächsten Meeting. Also schickte ich auf die Schnelle wenigstens eine Nachricht mit einem Uhr-, einem Kackhaufen-, einem Schwitze-, einem Lacher- und einem Kalender-Smiley

Mir war natürlich glasklar, was das bedeutet. Die Uhr stand für die Zeit, der Kackhaufen-Emoji mit dem Schwitze-Emoji für „Scheiße, habe ich verschwitzt“, der Smiley für „nicht so schlimm“ und der Kalender für „neuen Termin machen“.

Als ich zwei Stunden später ins Büro kam, fand ich eine wutentbrannte Nachricht vor. Wer ich denn sei, anderen auf diese infantile Art zu sagen, dass ich den Termin scheiße finde, er allein im Meeting schwitzen soll, ihn dann auch noch auslache und anrate, er solle sich einen Kalender zulegen, obwohl er pünktlich war. Das wäre ja mal die Oberhärte, von dem Teenagergehabe mit diesen bunten Dingern ganz abgesehen, die keiner versteht.
Im Nu war ich wieder Mitte Vierzig und tauchte aus dem digitalen Kaufhaus der Emotionen auf. Verdammt. Ein klassischer Brief musste her, von Hand und mit dem guten Füller unterschrieben, dazu eine teure Flasche, am besten Champagner. Ich ließ meiner Assistentin freie Hand. Haben Sie schon gewusst, dass es von der Nobelmarke „Moét & Chandon“ eine „Emoj Bottle“ gibt, tatsächlich mit quietschbunten Emojis drauf? Sie fand die Flasche toll und kannte den Vorgang ja nicht – bei ihrer persönlichen Übergabe blieb die Freude beim Gegenüber natürlich aus und der Brief landete ungelesen im Mülleimer. Seit diesem Tag begrüßt mich als ewige Mahnung jeden Morgen eine Kaffeetasse – Emoji-Motto „Shit happens“, wenn man sich mit Dingen schmückt, von denen man eigentlich keine Ahnung hat.

Euer lausitzDADDY