Schul-Spezial Teil 1: "Alles PISA oder was?"

Datum: Freitag, 23. August 2013 12:02


Ein Exkurs über unser Bildungssystem

Seit dem sogenannten PISA-Schock aus dem Jahr 2000 hört das Nachdenken und Diskutieren über unser Bildungssystem nicht auf. Inzwischen scheint es ein Heer an Unzufriedenen zu geben: Eltern auf der einen Seite, Lehrer auf der anderen Seite, Schüler mittendrin. Und drumherum eine Politik, die experimentiert, aber entweder keine nachhaltigen Lösungen aufbietet oder diese eben schlecht vermittelt. Was ist los mit unserem Bildungssystem – und ist es wirklich so schlecht wie sein Ruf?
In dieser und der kommenden Ausgabe wollen wir uns diesem Thema ausführlich widmen. Zuerst betrachten wir unser Schulsystem und die Folgen der Diskussion rund um PISA etwas globaler – in unserer Oktober-Ausgabe stellen wir dann beispielhafte und innovative Schulen mit ihren Konzepten vor und zeigen Eltern Möglichkeiten auf, gute Schule aktiv mitzugestalten bzw. sich gegen schlechte Schule erfolgreich zu wehren. Zudem wollen wir dann Eltern-Fragen beantworten – machen Sie mit!

Unser Bildungssystem
Das deutsche Bildungssystem und das Bildungssystem unseres Landes Brandenburg zu beschreiben, ist ein ziemlich kompliziertes Unterfangen. Das hat seinen Grund vor allem im Föderalismus, also der Eigenständigkeit der 16 Bundesländer unter dem Dach der Bundesrepublik. Im Ergebnis dieser Organisationsform haben wir in Deutschland heute 16 teils sehr unterschiedliche Bildungssysteme. So geht in den meisten Bundesländern die Grundschule bis zur vierten, in manchen bis zur sechsten Klassenstufe, in einem Bundesland gibt es Haupt- und Realschulen, im anderen Oberschulen. Zusammen mit den berufsbildenden Schulen gibt es in Deutschland insgesamt über 60 verschiedene Schulformen, eine kaum überschaubare Vielfalt.
In Brandenburg wurde das Bildungssystem wie in allen Neuen Bundesländern nach der Wende an westlichen Vorbildern orientiert. Seitdem hat es immer wieder Veränderungen gegeben, insgesamt blickt unser Land auf ca. 25 Novellierungen (Veränderungen) im Schulgesetz zurück. Vor der Wende herrschte in Brandenburg wie im gesamten Osten das einfach gegliederte DDR-Model der 10-klassigen POS und anschließend der zweijährigen Erweiterten Oberschule, parallel gab es als eher seltene Variante noch die Berufsausbildung mit Abitur bis zum 13. Schuljahr. Nach der Wende wurden Real- und Gesamtschulen eingeführt, über verschiedene Veränderungen sind wir in Brandenburg heute bei einem vergleichsweise übersichtlich gegliederten Schulsystem angelangt:


Das Brandenburger Schulsystem entspricht in seiner Gliederung bereits vielen Erfordernissen, die Bildungsexperten sich für andere Bundesländer wünschen. Insbesondere die vergleichsweise „lange“ Grundschule und das gemeinsame Lernen bis zur sechsten Jahrgangsstufe sowie die zahlreich vorhandenen flexiblen Eingangsstufen über eine gemischte Klasse 1/2 entsprechen aktuellen Forderungen vieler Bildungsexperten an das Bildungssystem. Andererseits wird aber auch in Brandenburg das längere Lernen in der Grundschule inzwischen durch viele sogenannte „Leistungs- und Begabungsklassen“ (LuBK) aufgeweicht, die bereits mit der 5. Klassenstufe den Übergang zum Gymnasium ermöglichen. Inzwischen gibt es landesweit 35 Klassen dieser Art.
Im Jahr 2012 führte Brandenburg wie inzwischen alle Bundesländer außer Rheinland-Pfalz die Verkürzung des Abiturs auf zwölf Schuljahre ein. Damit sollte vor allem eine Forderung der Wirtschaft erfüllt werden, wonach deutsche Schulabsolventen dem Arbeitsmarkt bereits in deutlich jüngerem Alter zur Verfügung stehen sollen, angeblich auch als Vorteil für die jungen Menschen selbst, um international mit den jungen Absolventen aus dem Ausland konkurrenzfähig zu bleiben. Zudem soll die erwartete längere Lebensarbeitszeit der heutigen Schüler den demografischen Wandel abfedern helfen. Entsprechend geändert wurde inzwischen auch das Studiensystem, weg vom umfangreichen und stark theoretisch geprägten deutschen Diplom hin zu praxisnäheren und schnelleren Bachelor- und Masterstudiengängen nach angelsächsischem Vorbild. Das ist natürlich etwas vereinfacht, trifft im Grunde aber den Kern. Lediglich an Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe bleibt es nach wie vor beim Abitur im 13. Schuljahr, allerdings wird dieses Schulmodell zunehmend seltener. Über welche Schulen eine Kommune oder ein Landkreis verfügt, ob Gymnasien oder Gesamtschulen eingerichtet werden und welche Schulen evtl. geschlossen oder zusammengelegt werden, liegt in der Planungshoheit der Kommunen. Das Bildungsministerium des Landes steckt in sogenannten Rahmenlehrplänen einen groben Rahmen der Wissensvermittlung und Lernziele ab und zeichnet für die Lehrer verantwortlich. Seit dem PISA-Schock haben sich die Bundesländer zudem auf erste gemeinsame Standards geeinigt – wie den verbindlichen Grundwortschatz.
Was vielen Eltern nicht klar ist: Jede Schule formuliert anhand der groben Vorgaben des Landes ein eigenes Curriculum, das ist ein Lehrplan, in dem detailliert festgeschrieben wird, was in welchem Schuljahr wie zu vermitteln ist. Jede Schule hat somit weitreichende Möglichkeiten der individuellen Ausgestaltung – und daraus resultieren auch selbst bei staatlichen Schulen unterschiedlichste Konzepte. Gute Schule wird also in erster Linie von einem guten Team gemacht, bestehend aus der Schulleitung und einem motivierten Lehrerkollegium.