Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad...

Datum: Mittwoch, 26. Juni 2013 09:01

Dieses alte Kinderlied spiegelt genau das Bild wider, das Kinder oftmals von ihrer eigenen Oma oder ihrem Opa haben – aktiv und mitunter ein wenig verrückt. Vorbei sind die Zeiten, als Oma strickend und die Haare zu einem Dutt verknotet im Sessel saß oder Opa geschichtenerzählend mit dem Enkel auf dem Schoß im Schaukelstuhl die Tage verbrachte. Moderne Großeltern stehen in der Regel meist noch fest im Arbeitsleben, wenn das erste Enkelkind unterwegs ist und verbringen ihre freie Zeit, nachdem die eigenen Kinder außer Haus sind, mit vielfältigen Hobbies, Reisen  und anderen Aktivitäten.

Großeltern sind weit mehr als ständig verfügbare Babysitter oder Sponsoren. Sie stehen als Ratgeber und Vertrauensperson gleichermaßen den jungen Eltern und den Enkelkindern zur Verfügung. Heutzutage ist es häufig, dass Kinder ihre Großeltern im Schnitt zwischen 20 und 30 Jahren an ihrer Seite haben. Noch vor über 100 Jahren war das eher die Ausnahme, aber dadurch, dass die Menschen immer älter werden, haben Kinder in der Regel ihre Großeltern bis ins frühe Erwachsenenalter.
Ein wichtiger Aspekt in der Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln besteht auch in dem Verhältnis Großeltern – Eltern. Sofern das Verhältnis der Großeltern zu den Eltern sehr gut ist, bildet das auch eine wichtige Grundlage für eine Vertrauensbeziehung der Enkel zu den Großeltern. Großeltern sind natürlich nicht in der Erziehungsverantwortung, das obliegt den Eltern, aber grundsätzliche Absprachen in Bezug auf die Erziehungsmethoden der Kinder sollten auf jeden Fall von Oma und Opa eingehalten werden. Natürlich können sich Großeltern das Recht nehmen, ihre Enkel zu verwöhnen, sollten aber nicht entgegen der Erziehungsmethoden der Eltern agieren, denn dann sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Also ganz frei von Erziehung sind also auch die Großeltern in ihrem Dasein nicht. Großmütter und Großväter können natürlich fernab des Alltagsstresses in den Familien einen Gegenpol bilden, indem sie ganz viel Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen. Häufig sind die Großeltern im Leben der Enkelkinder zentrale Bezugspersonen.

Ein weiterer Faktor in der Großeltern-Enkel-Beziehung ist die räumliche Entfernung der jeweiligen Wohnorte. Dreigenerationenhaushalte gibt es heutzutage nur noch sehr selten. Regelmäßige persönliche Kontakte zwischen Oma/ Opa und Enkel fördern einen engeren Zusammenhalt. Wenn die Großeltern weiter entfernt leben, hängt es oft von deren Mobilität ab, wie intensiv sich die Großeltern-Enkel-Beziehung entwickeln kann. Natürlich garantiert eine räumliche Nähe zwischen Großeltern und Enkel keine enge Verbindung, fördert diese aber im erheblichen Maße.

Die Interaktion zwischen diesen beiden Generationen bringt für beide Seiten Vorteile – sozusagen eine Win-Win-Situation. Die Enkelkinder profitieren von den Lebenserfahrungen der Großelterngeneration. Die Weitergabe biografischen Wissens ist ebenfalls von großem Wert in dieser Beziehung. Jeder von uns kennt die Situation bei einer Familienfeier, wenn Oma oder Opa die alten Familiengeschichten zum Besten geben. Den meisten Menschen wird doch bei dieser Erinnerung warm ums Herz. Geschichten über die eigenen Eltern, als diese noch Kinder waren, hören Kinder meist nur von den eigenen Großeltern. Zuwendungen seitens der Großeltern in Form von Kuscheleinheiten, gemeinsamen Spielen oder Unternehmungen bereichern nicht nur die Enkel, die Großeltern selbst profitieren ebenfalls von dieser Beziehung. Der Umgang mit den Kindern hält sie jung und fit. Sie fühlen sich eingebunden in die Familie und genießen das Gebraucht-Werden, werden oft kreativer und unternehmungslustiger. Wichtig für die Rolle der Großeltern ist ihre neue Position: Sie dürfen sich um die Enkel kümmern – müssen es aber nicht. Großeltern sollten aber beim Spielen mit den Enkeln ihre eigene körperliche Verfassung nicht außer Acht lassen. Wenn Opa beim Fußballspielen mit dem Enkel eine Verschnaufpause braucht, sollte dieser es dem Kind auch deutlich sagen. Denn so lernen die Kinder frühzeitig, die Gefühle und Grenzen anderer Menschen zu respektieren.  
Sowohl Enkel als auch Großeltern kommen beim gemeinsamen Spielen zur Ruhe, tanken neue Kraft, um sich danach wieder zu konzentrieren. Altbekannte Kinderlieder sind zum größten Teil noch in den Köpfen der Großeltern fest verankert und haben sich ins Gedächtnis eingeprägt. Sie geben dieses „alte“ Liedgut an ihre Enkel weiter und können so ein Stück Vergangenheit näher bringen. In dem Kinderlied „Suse, liebe Suse, was raschelt im Stroh“ können die Großeltern erklären, was ein Schuster-Leisten bedeutet. Sicherlich sind die Großeltern für das glückliche Aufwachsen von Kindern nicht Voraussetzung, aber in den meisten Fällen eine große Bereicherung.


Quelle: Jackel, Birgit; Enkel und Großeltern – Wie Generationen voneinander profitieren; Schulz-Kirchner Verlag, 2011