Der Seebär

Datum: Montag, 30. Juni 2014 14:22

Endlich ist die Urlaubszeit ran und in diesem Jahr hatte ich eine grandiose Idee. Alles begann damit, dass meine bessere Hälfte ans Meer wollte, ich aber in die Berge. Nach einem Abend Argumentation stand es Unentschieden – und ich durfte mir anhören, dass sie ja sowieso wieder die ganze Arbeit hat. Mit der Urlaubsvorbereitung, der Planung der Unternehmungen, der Verpflegung. Ich würde ja wieder auf den letzten Drücker aus dem Büro kommen und mich nur noch ins gepackte Auto setzen. Verdammt, sie hatte so Recht. Aber ich wollte in die Berge und zog am nächsten Tag meinen Joker: mit diversen Fachbeiträgen aus dem Internet, die fürsorglichen Eltern die vielen Vorteile schilderten, den Familienurlaub gemeinsam mit den Kids zu planen. Ich redete ihr erfolgreich ein, dass wir doch pädagogisch vorbildlich sein wollen und unsere Kids jetzt groß genug seien, um mitzuentscheiden und mitzumachen. Ich nehme mir auch einen Tag früher frei und packe alle Koffer. Damit hatte ich sie.
Am nächsten Abend berief der Super-Urlaubsdaddy eine Familienkonferenz ein. Jeder bekam ein Blatt Papier, das in zwei Hälften unterteilt war. Links durfte jeder hinschreiben, was er sich für den Sommerurlaub wünscht und rechts, was er überhaupt nicht will. Drei Tage hatte jeder Zeit. Meine bessere Hälfte erahnte zum Glück nichts von meinem Masterplan. Abends legte ich meiner Kleinen immer Heidi-Hörspiele ein „Heidi, Heidi, deine Welt sind die Berge“ sang ich fröglich mit. Mit meinem Junior spielte ich zu seiner großen Freude stundenlang unser „Herr der Ringe“-Spiel und erzählte immer wieder, wie spannend die Reise von Frodo durch die vielen Berge ist, nur komisch, dass nie ein Meer vorkommt. Ist bestimmt auch nicht so spannend wie dunkle Berge, tiefe Täler und geheimnisvolle Höhlen. Dazu gab es Toblerone zum Naschen und ich brach ihm mit dem Ausruf „Knack dir den Gipfel der Genüsse“ immer das größere Stück ab. Ich sah uns mit einem klaren 3:1 in die Berge reisen und suchte schon die passenden Angebote zurecht. Am Tag der Wahrheit kam aber alles ganz anders.
Mit siegessicherer Miene sammelte ich am Abend des dritten Tages die Blätter ein – und staunte nicht schlecht, als bei den Kids auf der guten Seite nur Sand, Strand, Muscheln, Baden, Strand-Drachensteigen, Bernstein sammeln und dergleichen mehr auftauchten. Was sie nicht wollten? Seilbahn fahren, Berge besteigen und schon gar nicht Höhlen besichtigen. Ich hatte die Rechnung mal wieder ohne die weibliche Intuition gemacht.
Wie sich herausstellte, hatte meine bessere Hälfte die Kids früher von der Schule abgeholt und einen Nachmittag mit vielen TV-Dokumentationen und einer Diashow vorbereitet. Von Seilbahnunglücken über tödliche Wanderunfälle in den Bergen bis zum verunglückten Höhlenforscher war alles dabei. Wenn selbst ein Forscher nicht mehr aus seiner Höhle findet, wie sollten wir das dann schaffen? Selbst meine verzweifelten Versuche mit Geschichten vom lieben Onkel Rübezahl und mystischen Berggeistern brachten keine Punkte mehr. Auch da wurde mit Videos von wilden Bären vorgesorgt, die in den Bergen leben und nur auf leckere Kinder aus der Lausitz warten.  
Schließlich strahlte mich meine Kleine auch noch an und sagte mir: „Papa, wir haben auch eine ganz tolle Überraschung, extra für dich“. Weil ich doch die ganze Zeit von Bergen schwärmte und sang, haben Sie den Urlaubsort am Nachmittag schon extra für mich ausgesucht. Es geht nach Bergen, auf die Insel Rügen. Mit Kreidefelsen und einer geheimnisvollen Höhle, fügte mein Kleiner stolz hinzu. Ich quälte mir ein „Yuhu, das habt ihr aber toll gemacht“ ab, meine Frau hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.              Euer lausitzDADDY