Die Bumerang-Pädagogik

Datum: Dienstag, 30. September 2014 13:32

Die Rache von Kindern kann schon sehr subtil sein. Vor allem, wenn sie langsam Richtung Pubertät steuern und aus einst unschuldigen Lämmern auch mal freche Bengel werden. Diese Erfahrung musste ich jetzt mit meinem Junior machen.
Auslöser war ein Vorspiel in seinem Zimmer. Das lag einmal wieder voller Lego-Sachen, angeblich wollte er das Lego-Movie nachbauen und brauchte ganz unbedingt alle diese Lego-Bausteine und hatte sie nach seiner Schilderung auch alle fein sortiert. Auf dem Boden sah es aus wie eine einzige Soljanka aus Plastikbergen. Die Durchgänge zwischen den einzelnen Haufen waren so schmal, dass Junior wie ein Storch umherstelzen musste, wenn er ein Teil suchte. Meine bessere Hälfte hatte mich geschickt, ich soll für Ordnung sorgen und mich einmal durchsetzen und nicht immer nur der Held sein, der stundenlang mitbastelt. Ich könne ja auch mal konsequent sein und soll das nicht immer ihr überlassen. Also bat ich meinen Junior aufzuräumen. Er diskutierte aber, wie lange er zum Sortieren gebraucht hat und dass er nie wieder so eine Ordnung hinbekommt und ich damit die ganze Lego-Welt kaputt mache. „Aha, sortieren ist also wichtig?“, fragte ich ihn. „Ja, siehst du doch“, moserte Junior zurück. Zehn Minuten später war ich wieder im Zimmer und stellte ihm zwölf Kisten hin, die mit „weiß“, „grau“ und allen weiteren Legofarben beschriftet waren sowie eine Kiste für Figuren, eine für Kleinteile und eine für Sonderteile, die sich weder Farben, noch Figuren oder Kleinteilen zuordnen lassen. Freudestrahlend teilte ich ihm mit, dass ich die Kisten extra für ihn gebastelt habe und er nun nie wieder Teile suchen muss, weil er sie ordentlich nach Farben und Funktion ablegen kann. Ich glaube, die Liebe zu Lego hielt sich in den kommenden drei Tagen bei ihm sehr in Grenzen. Meine bessere Hälfte lobte mich für diesen pädagogisch wertvollen und hintersinnigen Einsatz – und ich war stolz wie Bolle auf einen meiner seltenen Erziehungserfolge.
Die Freude währte ganze sieben Tage. Wir sind gerade mit der Firma umgezogen und am folgenden Wochenende trugen wir meine letzten Kisten mit Ordnern und Unterlagen ins neue Büro. Mein Junior half mit und lugte anschließend sehr interessiert in die Kisten. „Mama, was ist denn das alles?“. Meine bessere Hälfte murmelte was von Papas Kram, von dem er sich nicht trennen kann. Ich verfiel gleich in die übliche Abwehrpose und sagte, das ist alles sortiert und ganz wichtig und ich würde das garantiert noch irgendwann brauchen. „Aha, sortieren ist also wichtig?“, fragte mein Junior mit einem seltsam strahlenden Blick. Er verschwand auf der Stelle mit meiner besseren Hälfte und eine halbe Stunde später kamen sie mit zwei Riesenkisten voller leerer Ordner aus dem Bürohandel zurück. Mister Lego hatte zurückgeschlagen und seine Rache war schrecklich. Freudestrahlend teilte er mir mit, dass er mit Mama extra neue Ordner geholt hat, damit ich alle wichtigen Unterlagen endlich so ablegen kann, dass ich sie künftig immer gleich finde, wenn ich sie so unbedingt brauche. Meine bessere Hälfte beglückwünschte mich zu meiner Bumerang-Pädagogik und erstickte jeden Abwehrversuch im Keim. „Da musst du schon mit gutem Beispiel vorangehen“. Eine ganze Woche Spätschichten folgten, in denen ich anschließend von Locher und Klarsichthüllen träumte. Ich fühlte mich wie Aschenputtel.
Als ich endlich fertig war, präsentierte ich stolz mein Regal mit den super sortierten Unterlagen, was meine Frau wirklich faszinierte. Mein Junior verlor schnell das Interesse und schaute sich lieber youtube-Videos auf meinem Rechner an. Plötzlich kam er aber freudestrahlend zu uns: „Mama, du wirst nicht glauben, was ich entdeckt habe“. Ich hatte vergessen, den Explorer zu schließen und er war auf das Chaos aus in fünf Jahren angelegten Ordnern auf meinem Server gestoßen. Jetzt werde ich mit dieser Kolumne wohl ein halbes Jahr aussetzen müssen...                            Euer lausitzDADDY