Cliffhanger

Datum: Dienstag, 01. September 2015 13:42

Spätestens nach diesem Sommer überlege ich, diese Rubrik in lausitzOPA umzubenennen. So sehr wir Eltern uns anfangs darüber freuen, wenn die Kleinen zu Jungs und Mädels heranwachsen, so sehr möchte man sie dann doch gern kurz vor der Pubertät im Alter und Verhalten einfrieren. Dabei geht es aber nicht nur um die Macken, die unsere nicht mehr so Kleinen in dieser Umbauphase manchmal entwickeln, es geht auch um uns selbst. Denn wenn der Junior langsam zum Junghirsch wird, dann wird uns greisen Vätern auch das eigene Alter bewusst.
Bei mir passierte das schlagartig während des Sommerurlaubs. Den verbrachten wir in Österreich, in den Alpen, einer super Familien-Ferienregion. Kurz vor der Abfahrt machte ich mit meinem 12-jährigen Junior einen Fernsehabend, mit den Bergsteigerdramen „Nordwand“, „Cliffhanger“ und „Vertical Limit“ stimmten wir uns auf die Alpen ein. Ja, wir wollten die Berge bezwingen und ich freute mich schon auf unsere „Männerausflüge“, während meine bessere Hälfte mit unserer Kleinen am Pool planscht. In Österreich angekommen, prangte auch ein schöner Gebirgszug namens „Wilder Kaiser“ über dem Tal. Wir informierten uns bei der Hotelchefin über Bergwandertouren – und entschieden uns spontan für die „etwas anspruchsvollere Tour, die für Ihren Junior auch mit einem kleinen Abenteuer verbunden ist.“ Die Frage eines zufällig lauschenden anderen Gastes, ob wir Flachlandhasen nicht lieber mit einer einfachen Tour beginnen wollten, konterte ich mit „Nur weil Sie wie eine Bergziege aussehen, müssen Sie noch längst keine Ahnung vom Klettern haben.“ Mein Junior klatschta ab, der Berg rief.
Am kommenden Tag ging es dann auch gleich los. Wir starteten an einer Alm auf ca. 1.000 Höhenmetern und wollten über eine Zwischenstation dann bis auf fast 1.600 Meter, wo man dann schon im felsigen Bereich wandern konnte. Spannend sollte es laut Hotelchefin an einem kleinen Steig werden, der aber problemlos mit Seilen gesichert sei. Drei Stunden sollte unsere Tour dauern. So wanderten und  kletterten wir in die Höhe. Junior stiefelte vorneweg – und ich spielte bei jedem seiner Rückblicke mit entschlossener Miene den Cliffhanger. Innerlich war ich aber schon nach der Hälfte des Aufstiegs platt. Junior hüpfte hingegen von Absatz zu Absatz und hatte offensichtlich einen Weg gefunden, die Schwerkraft zu umgehen. Ich schwitzte wie eine dicke Männerrunde in der Finnensauna. Die Bergwacht hätte uns wahrscheinlich gleich gestoppt, damit der ältere Flachlandhase mit den körpereigenen Wassermassen keine Hangabrutschung verursacht. Nach anderthalb Stunden erreichten wir dann unser vermeintliches Abenteuer. Wir mussten direkt im Fels eine kleine Bucht umrunden, der Weg war so breit wie ein String-Tanga, von einem Seil nix zu sehen. Nur hier und da, wo man den Weg mit der Lupe suchen musste, war ein kleines Stück Seil im Fels befestigt. Mir wurde schlecht. Der Cliffhanger in mir wurde grün wie Hulk und klein wie Ant-Man. Ich wünschte mich zurück an den Hotel-Pool und hoffte, dass mein Junior das genauso sieht. Sofort redete ich auf ihn ein: wenn er sich das nicht traue, sei das kein Problem, wir können umkehren, er muss mir nichts beweisen, und überhaupt, was sagt Mama zu diesem Leichtsinn. Ich war noch am Plappern, als er mit „Null Problemo“ wie Spiderman am Fels entlangkrabbelte. An einer Stelle hörte der Weg ganz auf, für die Füße waren nur ein paar Steigbügel in den Fels gehauen, darunter 100 Meter Abgrund. Ich schaltete auf Überlebensmodus und alterte mit jedem Schritt. Ich weiß nicht wie, aber wir kamen heil auf der anderen Seite an – und ich sah aus wie Heidis Alm-Ödi. Mein Junior hingegen war tatsächlich hellauf begeistert. Den Rest des Urlaubs täuschte ich lieber eine Bänderdehnung vor – dann doch lieber relaxt am Pool. Mein Junior moserte „... da kann ich ja gleich mit Opa in den Urlaub fahren“. Wie recht er doch hatte. Nächstes Jahr gehts lieber wieder ans Meer, die Dünen schaffe ich noch gerade so.           Euer lausitzDADDY