Schuppy-Guppy

Datum: Donnerstag, 15. Dezember 2011 13:17

Im vergangenen Monat haben wir den großen Schritt gewagt: Unsere Kleinen durchbrachen die Schallmauer vom pflegeleichten Kuscheltier mit Knopfaugen zum ersten, ganz lebendigen Haustier. Nach zwei Jahren sind uns die Ausreden von wegen Tierhaarallergie, kein Platz für den Käfig und fehlender Urlaubsbetreuung ausgegangen. Was will man bei Fischen auch sagen? Gegen Schuppen kann man ja nicht allergisch sein. So mutierte unsere Familie zum erwartungsfrohen Volk der Aquarianer und reiste in die örtliche Zoohandlung.
Zuvor googelte ich noch zeitgemäß als moderner Superdaddy nach „Fisch“ und „Aquarium“ und verzweifelte
an knapp 3 Millionen Treffern. Gleich zum Anfang stolperte ich aber über ein Fisch Aquarium als 3D-Bildschirmschoner, sofort zum Download für wenige Euro, sogar noch günstiger als der darunter angebotene Bildschirmschone Rülpsen und Pupsen in 3D (den gibt’s wirklich!). Aber es half nichts, wir hatten den Kleinen den Finger gereicht – und wurden schon kurze Zeit später zur leichten Beute der Fischverkäuferin im Fressnapf. Desorientiert standen wir vor meterlangen Fassaden aus Aquarien, in denen
Nemo und Co. vor sich hinplanschten. Nur unsere kleine Tochter wurde schnell von einer Horde Guppys hypnotisiert und blieb wie angewurzelt vor den niedlichen „Fischies“ stehen. In nur einer Minute verpasste sie jedem der knapp 1.000 Guppys in dem Becken einen Namen und eine Lebensgeschichte. Wir sollten sie alle mit nach Hause nehmen, sie könne ohne diese niedlichen Fischies nicht mehr leben. Keine Sekunde. Kinder können solche – hier beim Schreiben sehr unglaubwürdig wirkenden Argumente – im Beisein einer Fischverkäuferin wirklich eindrucksvoll vortragen. Wir wollten als Neu-Aquarianer eigentlich mit zwei Fischchen starten – nach einstündiger harter Tarifverhandlung mit unseren zwei Zwergen – auch Sohnemann wollte hunderte Guppys – trafen wir uns bei zehn Guppys, zwei Mollys und zwei Saugwelsen, Knutschi 1 und 2. Absoluter Liebling meiner Kleinen war „Schuppy-Guppy“ – und so bekam sie auch den Transportbeutel mit den Guppys. Daheim wurde das Aquarium schnell eingerichtet, besteint, bepflanzt und befischt. Am nächsten Morgen hörten wir dann lautes Rufen aus der Küche, wo das neue Fischheim überm Küchentisch thronte. Die Kleine klopfte an die Scheibe und rief, dass Schuppy-Guppy aufwachen soll. Der hatte sich gemeinsam mit  Bambi-Fischi für die Bauchlage an der Oberfläche entschieden. Verzweifelter als Marlin bei Nemos Entführung war sie bald kurz davor, den Notarzt, die Freiwillige Feuerwehr und Superman anzurufen. Da half selbst ein Schluck „Vio“ nichts (was für eine blöde Werbung), Schuppy-Guppy wollte keinen blubb mehr machen. Mit  einer für Weihnachten angedachten Monster High-Puppe, einer Tüte Gummibärchen und dem  TVMotivationsprogramm „Findet Nemo“ wurde die Kleine abgelenkt, während ich mit wichtiger Miene und Schuppy-Guppy im Gurkenglas angeblich zum Fischflüsterer fuhr. Unterwegs sagte ich zwei Geschäftstermine ab und stellte mich halb neun zu 20 Senioren, die Katzenflohübersäht vor dem Tiersupermarkt auf Öffnung  warteten. Zum Glück war die freundliche Fischverkäuferin pünktlich zum Ladenbeginn da und half mir, mit einem Blick ins Gurkenglas nach identischem Lebendersatz zu suchen. Moses spaltete das Meer, Armstrong war der erste Mensch auf dem Mond – aber ich kehrte mit einem wieder belebten Schuppy- Guppy heim. Beim späten Frühstück wurde Super-Daddy gefeiert. Im Büro ereilte mich dann der Anruf des entrüsteten Kunden, der extra zwei Mitarbeiter zum Termin hatte anreisen lassen. Ich erzählte etwas von Notarzt, Familiensache, schwere Bauchgeschichte, Tochter fast im Koma. Der Auftrag war trotzdem weg. Na und, dafür war ich für meine Kleine der Held, als weltweit einzig möglicher Retter von Schuppy-Guppy. Das war es wert.

Euer lausitzDADDY