Der Leidensweg des Mannes

Datum: Mittwoch, 10. Februar 2016 11:15

Männer sind ja nicht einfach nur krank, Männer leiden und entgehen nur haarscharf einem schmerzvollen Tod. Ganz egal ob Schnupfen oder kleine OP, es ist einfach grausam. Spätestens seit unser „Großer“ eine Operation zum Jahresbeginn knapp überlebte, weiß ich, dass er nun zum Mann geworden ist und es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Mannsein und Leiden gibt. Ja, ich sehe schon, wie die vereinte Frauenschaft jetzt mit den Augen rollt und sich fragt „Wie alt sind die eigentlich? Warum haben die sich so? Was wäre, wenn die mal ein Kind auf die Welt bringen müssten?“
Meine bessere Hälfte hat meinen Leidensversuchen ja früh den Hahn zugedreht. Wenn ich mal so richtig krank sein wollte, fegte sie wie ein Turbo durch die Wohnung, putzte die Fenster, die ganze Wohnung, den Hausflur, sprach mit den Kids Schulsachen durch, kraxelte in den Keller und räumte Kisten in einer mentalen Lautstärke, bei der Mann garnicht krank sein konnte – kurzum: sie zündete ihre zwei X-Chromosomen und führte mir vor, was noch alles zu tun ist. Gespickt mit der einfühlsamen Bemerkung „Lass dich nicht so hängen, die Kinder sollen ja nicht zu Weicheiern werden “ half das besser als Wick und Wadenwickel. Offensichtlich ist dieses Familienrezept von Erfolg gekrönt. Wenn unsere Kids mal krank sind, dann stehen sie ruckzuck wieder auf der Matte – und unser Junior kommt manchmal übersäht mit blauen Flecken vom Schulhof-Fußball nach Hause und lächelt die verbleibenden Schmerzen mit einer Geschichte vom Super-Doppelbanden-Tor weg. Ich bin seit Jahren garnicht mehr krank, weil krank sein bei uns einfach keinen Spaß macht. Krank sein ohne Leiden und Bedauern der ganzen Familie ist für einen Mann wie Tom ohne Jerry. Es macht nur zusammen Sinn, auch wenns dann länger wehtut. Klar geworden ist mir das, als unser Großer, der seit seinem Schulabschluss schon seine eigene Wohnung zumüllen darf, eine kleine ambulante Operation hatte. Bereits im Vorfeld machte er uns die Tragweite des Eingriffs deutlich, der nach Dr. House und dem gesamten Team von Greys Anatomie schrie. Stattdessen führte ein namenloser Lausitzer Chirurg den Eingriff durch, am Fließband mit drei weiteren Patienten. Eine Frau mittleren Alters und zwei Seniorinnen hatten die gleiche, „schwerwiegende“ OP zu überstehen. Nach etwas Ruhezeit sollte unser Großer abgeholt werden – natürlich packten wir die ganze Familie ein, um den Überlebenden gebührend zu empfangen und auf seinem Leidensweg zu begleiten. Zuerst kam die Frau aus dem Ruhezimmer gestiefelt, gefolgt von den zwei Seniorinnen – dann lange Zeit nichts. Eine halbe Stunde später kam eine Schwester und schickte uns erst einmal nach Hause „der junge Mann braucht sicher noch etwas, er leidet gar sehr“. Zwei Stunden später durften wir ihn dann abholen – und natürlich hatte er die härteste Operation, musste sogar zusätzlich narkotisiert werden und ach, alles tat viel mehr weh als üblich.
Ganz ehrlich: ich beneidete ihn. Auf der anderen Seite war ich auch stolz, denn ich erkannte: mein Junge, jetzt bist du zum richtigen Mann geworden. Meine bessere Hälfte hatte – wie bei Müttern üblich – diesen Transformationsprozess offensichtlich noch nicht realisiert und war eher besorgt um ihr großes Kind. So fuhren wir ihn heim zu uns und nicht in seine Bude – und er durfte auf dem Sofa vorm Fernseher so richtig leiden. Er bekam Tee ans Sofa, Schokolade, Kekse, alles, was er wollte. Am Folgetag empfand ich das andauernde Leiden dann aber selbst als ungerecht und sagte, er solle nicht mehr so herumjammern. Darauf kam meine Kleine gleich zur Verteidigung ihres großen Bruders in die Stube gerannt und sagte „Mensch Papa, woher willst du das wissen, du bist ja auch noch niiieee so schlimm krank gewesen!“. Tja Männer, das hat man nun davon, wenn man sich das übliche Leiden beim Kranksein vermiesen lässt. Vielleicht versuche ich beim nächsten Mal doch wieder den Haushaltsturbo zu ignorieren und einfach mal so richtig leidvoll ums Überleben zu kämpfen.
Euer lausitzDADDY