Das Oktoberfest-Virus

Datum: Mittwoch, 28. September 2016 11:48

Wussten Sie schon, dass man von einem Oktoberfest auch ohne einen einzigen Schluck Bier einen mächtigen Kater bekommen kann? Dazu braucht es nur einen gut erzogenen Junior und die Schnaps ... ähm Wiesn-Idee eines Spreewald-Gastronoms. Aber eins nach dem anderen.
Unser Junior sorgt sich als lukrativen Nebenjob immer um die Eingabe der Termine in unsere Datenbank für diverse Projekte. Dabei fiel ihm auf, dass in unserer Region allerorten Oktoberfeste gefeiert werden – und das mitten im September. Selbst die Münchener fingen mit ihrem Oktoberfest in der Septembermitte an. Mit meiner Abneigung gegen die blau-weiße Saufschunkelei erklärte ich ihm, dass diese Oktoberfeste ohnehin nur von debilen Bierdickbäuchern gefeiert werden, die sich das halbe Hirn bei früheren Oktoberfesten weggesoffen haben und dadurch die Orientierung verloren haben. Deshalb Jodeln die auch, weil das Sprachzentrum und sämtliche Kontrollinstanzen im Hirn versagen und der Oktoberfestler so im Vollrausch nichts anderes als seinen Brunftruf an die Oktoberfestlerinnen loslassen kann, die genauso debil im Dirndl auf den stolzesten Hirsch im Festzelt warten. Das ist dann der mit den meisten Maaß Bier intus – und so pflanzt sich in Bayern nur diese Spezies mit den meisten bierertränkten Hirnzellen am besten fort. Mein Junior stieg gleich ein: „Ach, deshalb kriegt der Matthäus keinen richtigen Satz zustande und hat ständig ein neues Reh am Start?“ Manchmal staune ich selbst, wie groß und schlau mein Junior schon geworden ist. Wir machten uns noch eine ganze Weile über die Bayern und das Oktoberfest-Virus lustig.
Eine Woche später hatte ich das längst vergessen. Ich war mal wieder der letzte in der Firma und wollte eigentlich gleich nach Hause, als noch ein Kunde anrief und unbedingt etwas besprechen wollte. Lediglich mein Junior spielte in unserer kleinen Agentur-Lounge noch ein bisschen „Playsi“ und wartete aufs Nachhausegehen. Er hatte zuvor noch Termine eingegeben ... sicher waren wieder einige Oktoberfeste dabei.
Serviceorientiert wie ich bin, nahm ich uns noch die Zeit für den Kundentermin. Der tauchte wenige Minuten später auf und erzählte mir von einer grandiosen Idee. Als Chef einer großen Spreewaldgastronomie hatte er seit Jahren beobachtet, wie die Leute immer mehr auf Kostüme stehen und selbst im Spreewald Dirndl und Co. auf dem Vormarsch seien. Ausgerechnet im Spreewald traut sich aber noch niemand an große Oktoberfeste heran. Er hat deshalb von einem guten Freund aus München das gesamte Innenleben eines ehemaligen Wiesn-Festzelts organisiert und wird jetzt zu den ersten Spreewälder Oktoberfestwochen einladen. Und das zu einem Zeitpunkt, wo der Spreewald von Touristen nur so boomt. Ich war fasziniert und wir begannen sofort, die Idee auszugestalten, denn wir sollten möglichst in zwei Tagen die gesamte Werbung auf die Beine stellen. Wir machen den Spreewald Blau-Weiß, gründen einen Oktoberfestverein, planten einen bayrischen Kahnkorso, einen Jodelwettbewerb, als Plakat ein Liebesmotiv „Weißwurscht trifft Spreewaldgurke“. Die Ideen sprudelten. Als Star wollten wir uns einen richtigen Bayern holen. Am besten Oliver Kahn, einen richtigen Mann, dem man auch abnimmt, dass er die ein oder andere Maaß stemmt. Niemand wäre besser Olli, zumal wir mit dem eine richtige Kahn-Fahrt machen könnten ... hah hah. Wir lachten und steigerten uns richtig in die Spreewald-Wiesn hinein.
Mein Junior lauschte verstört und kam schließlich an unseren Besprechungstisch: „Mensch Papa, ich denke, Oktoberfestler sind debile Lederhosenträger mit einer kleinen Weißwurscht in der Hose?“. Verdammt, haben wir unseren Jungen gut zur Ehrlichkeit erzogen. „Sag immer offen deine Meinung und verbiege dich nicht.“ Mein Kunde blickte auf seine in der Euphorie bereits vor dem Termin übergestreifte Lederhose und dachte wahrscheinlich über seine „Weißwurscht“ nach. Das Oktoberfest hat er nun ohne uns gefeiert – mitten im September. Und mein Junior hat doch vollkommen Recht! Euer lausitzDADDY