lausitzDADDY 05/2020

Datum: Donnerstag, 30. April 2020 15:12

Seit der Corona-Krise ist auch bei uns Home Office angesagt. Oder eher gesagt Home Couching. Während meine bessere Hälfte sich in die Arbeit vertieft, meine Kleinste kreativ zwischen Videos, Kreativprojekten und äußerst wichtigen Telefonkonferenzen mit ihren Mädels – natürlich geht es wieder um Schule ;) – hin und herswitcht, lebe ich mein Hobby als Gebäckgourmet aus. Nein, nicht im Backen, eher im Vertilgen. „Hamsterbacken“ nennt das meine bessere Hälfte. Begleitet wird das vom Flimmern der Glotze und den Tönen von The Walking Dead. Die Zombies toben schon im zweiten Staffelmarathon über unseren Großbildschirm. Ich weiß, nicht sehr angemessen in der aktuellen Viruskrise. Nur unser Junior tanzt aus der Reihe. Während wir alle am Chillen sind, schwitzt er oben in seinem Zimmer bei seinen neuentdeckten Workouts. Mein Motto ist da eher „The work is out“.
Auf jeden Fall ist sein Jugendzimmer zur Muckibude mit einem steten Bodennebel jugendlicher Körperausdünstungen mutiert. Ohne Spaß, ich habe ihn mal heimlich beobachtet: Er windet sich wie ein gestrandeter Fisch auf seiner Matte und macht recht eigenartige Verrenkungen – genau wie der Ganzkörpermuskel im Workout-Video. Ich glaube, so wie ich fühlt sich der in die Jahre gekommene Platzhirsch, wenn er zum Junghirsch hinüberlinst, während der sein Geweih an einer stattlichen Eiche reibt. Dazu dopt der Junge noch. Auf seinem Tisch steht „Vegan Protein 3K“, in der Optik futuristischer Weltraumnahrung, als würde er morgen per Hockstrecksprung zum Mars abheben. Franzosen kaufen gerade Rotwein, Deutsche Klopapier und mein Sohn dieses Zauberpulver. Meine bessere Hälfte ist immer ganz aus dem Häuschen: Schau mal der Junge, du könntest dir ein Beispiel nehmen ... mit deinem Bueno-Depot über der Hüfte. Verdammt, neben Kuchen komme ich tatsächlich auch nicht an diesen Schokoriegeln vorbei. So ein Bueno sei auch vegan und voller Proteine, wehre ich mich. Mein Junior erhält hingegen von den Ladys der Familie unentwegt Komplimente, seit er abends verschwitzt nach unten kommt und mit freiem Oberkörper an meine Konstitution vor 20 Jahren erinnert.
Da meldete sich dann doch der Platzhirsch in mir zu Wort. Ich röhrte mit tiefer Stimme „Der Acker, den ein Mann bestellt, ist steinig“, stieg in meine Sport-Gedächtnistrikotagen, die auf dem Boden erst einmal von einer Staubschicht befreit werden mussten – und machte mich auf den Weg über die benachbarten Wiesen. Das Stirnband war schon nach zehn Minuten von Schweiß durchtränkt. Aber ich wollte es dem Junghirsch zeigen, mein Körper würde sich schon an frühere Zeiten erinnern, als ich mit Medaillen auf etlichen Meisterschaften einen ganzen Schuhkarton füllte. Irgendwo hatte ich etwas von einem Memory-Effekt gelesen, Körper früherer Leistungssportler würden sich wohl schnell an das einstige Leistungsvermögen erinnern und schneller daran anschließen. Das einzige, woran ich mich beim Laufen erinnerte, war die angebrochene Packung Kinder-Bueno in der Kühlschranktür. Wie der Esel der Möhre lief ich dem geistigen Bild der zwei verbliebenen Riegel hinterher. Zuhause angekommen, hechtete ich zum Kühlschrank und belohnte mich, als mir plötzlich schwindlig wurde. Die Ladys schüttelten mit Blick auf die Zombie-Apokalypse im TV den Kopf, mit mir war wohl kein Überleben in Krisenzeiten möglich. Doch am beschämendsten war es, als mein Sohn mir aufhalf und das Stirnband vom Kopf zog, mit den Worten: „Braucht man nicht ohne Haare“. Es war, als würde der Platzhirsch seines prächtigen 14-Enders beraubt. Bestimmt hängt mein Stirnband jetzt als Trophäe an seiner Wand. Vielleicht sollte ich mich doch auf die Stärken meiner späten Jahre besinnen, weiter „Hamsterbacken“ und auf Sumoringen umsteigen. In Japan sind das Halbgötter, die selbst mit dem körperlichen Umfang einer Bueno-Jahresproduktion bewundert werden. Meine Ladys applaudierten bei der Idee: Bewundernswert, toll Papa, dann wäre ja doch alles gesichert vor der Zombie-Apokalypse, wenn der Sumohamster sich aufopfert und die zerfledderte Knabberfraktion sättigt. Wahre Liebe geht eben doch durch den Magen.

Euer lausitzDADDY