lausebande_2020-11_ebook

Titelthema :: Seite 76 sie sich unter Umständen nicht mehr sanieren, sondern müssen komplett entfernt werden. Wur- den sie dann noch vermeintlich nachhaltig mit wasserlöslichen Holz- oder Flammschutzmitteln behandelt, müssen sie als Son- dermüll entsorgt werden. Wie ist es denn mit Holz? Das gilt ebenfalls als nachhaltiger, ge- sunder Baustoff. Ist das tatsäch- lich so? Holz ist generell gut geeignet. Hier kommt es aber wieder darauf an, ob und womit es behandelt wur- de. Massivholz ist immer besser als Spanplatten, die mit Leim und Bindemittel behandelt werden. Verwende ich Massivholz, soll- te dieses möglichst unbehandelt oder natürlich behandelt sein. Noch wichtiger als das Materi- al sind die Themen Feuchtigkeit und Belüftung. Was können Hausbesitzer hier be- achten? Der größte Feind des Hau- ses ist Wasser. Daher ist es schon in der Bauphase sehr wichtig, dass alle Bauteile vom Putz, über die Dämmung bis zum Fußboden ausreichend lange austrocknen dürfen – gerade jetzt im Herbst. Feuchtigkeit kann zu Schimmel führen, aber auch wasserlösliche Chemikalien, wie sie heute vor al- lem verwendet werden, ausspü- len. Neubauten sind heute so gut Ihr Verein forscht und in- formiert seit gut 15 Jah- ren zu den Themen ge- sundes Wohnen und Schadstoffe in Innenräumen. Hat sich die Sen- sibilität der Bevölkerung für das Thema in dieser Zeit verändert? In der Tat achten immer mehr Ver- braucher auf das Thema. Das liegt zum einen an der verstärkten Be- richterstattung durch die Medien, aber auch an der deutlichen Zu- nahme von Allergien und Nah- rungsmittelunverträglichkeiten in den letzten Jahren. Wer eine All- ergie hat, reagiert generell emp- findlicher auf Stoffe in der Umge- bung wie beispielsweise ätheri- sche Öle aus Nadelholz. Auch wer Kinder bekommt, fängt an, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Leider werden die meisten Men- schen erst aktiv, wenn das sprich- wörtliche Kind in den Brunnen ge- fallen ist. Zu uns ans Institut kom- men die Leute erst im Schadens- fall und nicht präventiv. Hat sich auch in der Bau- und Wohnungswirtschaft etwas ver- ändert? Durch den Druck der Verbrau- cher gibt es heute mehr Anbie- ter und Hersteller, die Wert legen auf emissionsarme Produkte und Materialien. Allerdings ist es für den Verbraucher schwierig, tat- sächlich solche wohngesunden Produkte zu finden. Dafür ist der Markt zu unübersichtlich und das Thema zu komplex. Wie kann ich mich als Kunde den- noch orientieren? Sind Gütesiegel hilfreich? Es gibt eine Vielzahl an Gütesiegeln, von denen viele nicht halten, was sie versprechen. Hier sollte man sich vorab informieren, wer das Siegel vergibt und welche Kriterien gelten. Bei der Suche nach Handwerkern, Herstellern und Planern würde ich empfeh- len, lokale Anbieter zu suchen, die Wert legen auf Wohngesundheit. Auch Produkttests, beispielswei- se von Ökotest, können Orientie- rung bieten. Ein zweites Problem ist, dass viele Kunden die Themen Wohnmedizin und Baubiologie verwechseln. Ein Produkt, dass nachhaltig und ökologisch ist, ist nicht automatisch auch wohnge- sund und umgekehrt. Hier exis- tiert viel Halbwissen. Können Sie ein Beispiel nennen? Es gibt viele Siegel für Teppiche. Ein Teppich aus Naturmateriali- en wie Schurwolle ist aber nicht automatisch wohngesund. Denn um ihn vor Motten- und Käferbe- fall zu schützen, muss er mit In- sektiziden behandelt werden. Sehr komplex ist ebenfalls das Thema Dämmung. Es gibt Natur- dämmstoffe wie Hanf, Schafswol- le, Holzfasern oder auch Popcorn. Bei einem Wasserschaden lassen Warum das Thema gesundes Wohnen immer mehr Menschen wichtig ist und wieso Naturmaterialien nicht per se besser sind, verrät der Biolo- ge Dr. Mario Blei im Interview. Der gebürtige Lausitzer ist Präsident der Gesellschaft für Wohnmedizin, Bauhygiene und Innenraumtoxikologie und Geschäftsführer eines Instituts für Innenraumtoxikologie in Jena. Nachhaltig ist nicht immer wohngesund

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