Seite 46 - lausebande-02-2014

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Kolumne :: Seite 46
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
stand mit Händen und Kopf ein Dreieck bildet und
dann die Beine langsam aufrichtet – was anfangs
auch klappte, bevor ich von einem lauten familiären
„Ooooohhh“ begleitet umkippte und mit den Beinen
auf halber Wadenhöhe auf unserem Schreibtisch auf-
schlug und den dort wartenden leckeren Milchkaffee
in meinen Laptop ergoss. Meine bessere Hälfte strich
den Radschlag mit Blick auf die Inneneinrichtung
sofort aus dem Programm. Damit war die erste Turn-
stunde gelaufen. Der Glauben von Kindern an Ihre
Väter ist aber durch nichts zu erschüttern. Zumindest
verlor mein Junior nicht den Mut und war überzeugt,
dass ein Hüftaufschwung ja was ganz anderes ist und
auf dem Spielplatz auch kein Schreibtisch im Weg
sei. So humpelte ich eine halbe Stunde später durchs
Wohnquartier. Der Spielplatz war umringt von vier
Wohnblöcken – ich kam mir vor wie ein Gladiator,
bevor die große Schlacht beginnt. Zum Glück wars
kalt und alle Fenster zu. Als ich mit meiner Vorfüh-
rung begann und mit dem Bein ordentlich Schwung
holte, öffneten augenblicklich etliche Profi-Fenster-
guck-Senioren ihre Fenster und platzierten ihre Fens-
terbankkissen. Endlich etwas Unterhaltung. Die lie-
ferte ich auch. Beim ersten Versuch nahm ich richtig
Schwung, flog unter der Stange durch, dem Himmel
entgegen – zog mich aber zu spät wieder an die Stan-
ge heran und quetschte mir genau den Bereich in der
Hüfte, den Männer sich nur sehr ungern quetschen.
Gekrümmt humpelte ich zur Bank. Vier Senioren
lachten, ein Fenster schloß sich. Keine zehn Sekun-
den später stand ein rüstiger 70-jähriger im braunen
DDR-Trainingsanzug neben uns und führte meinem
Kleinen einen 1A-Hüftaufschwung vor. Insgesamt
zehn Mal. Hintereinander. Der wollte gar nicht mehr
aufhören zu demonstrieren, wie „pippileicht“ das ist.
Mein Junge schaffte es schließlich auch und war sich
mit dem fremden Senior einig, dass nicht jeder Vater
zum Sport taugt. Ich wurde mit nur zwei Übungen
vom Supersportdaddy zum Kriegsinvaliden. Mein
Junior warnte bei der nächsten Sportstunde seine
Lehrerin, dass er Turnen nicht gut kann, weil er gene-
tisch vorbelastet ist, samt Geschichte unserer heimi-
schen Sportstunde. Seitdem diene ich dort als War-
nung für alle Kinder, was passiert, wenn man nicht
ordentlich Turnen lernt. So war mein Engagegement
wenigstens zu etwas nütze. Euer lausitzDADDY
Sport und Bewegung sind für Kinder wich-
tig, das ist uns Eltern natürlich klar. Mir als
Prototyp eines Superdaddys umso mehr.
Dabei hatte ich aber längst die Erinnerungen an
den Sportunterricht in der Grundschule verdrängt
und damit auch an das Grauen namens Turnen. Ich
dachte, das im Sport heutzutage nur noch Brennball,
Fußball und Basketball gespielt werden. Als meine
Kids vor Kurzem nach etwas Hilfe bei Übungen für
den Sportunterricht fragten, warf ich mich deshalb
mit verschwommenen Erinnerungen an meine stete
1 im Sportuntterricht gleich in die Brust: „Papa macht
das, ich war in Sport immer der Beste“. Hoffnungs-
froh sah mich meine Kleine an und sagte: „Toll, dann
machen wir jetzt Kopfstand und Radschlag“ gefolgt
vom Junior, der sich freute, dass ihm endlich jemand
den Hüftaufschwung richtig zeigt. Oh Gott, die Vor-
freude auf meine sportliche Schaustunde brach in
sich zusammen. Mit der Gelenkigkeit einer Schrank-
wand versehen, war Boden- und Geräteturnen für
mich immer die Schmach meines Sportlerlebens,
weshalb ich das wohl auch aus dem Gedächtnis ver-
drängt hatte. Ich ruderte ein bisschen zurück, vonwe-
gen Turnen ist in meinem Alter schon schwierig, ich
bin doch viel zu groß dafür, wir haben keine Turn-
matte zu Hause, zum Hüftaufschwung braucht man
ja eine Turnstange – oh, mir viel noch viel mehr ein.
Auf halber Strecke stürmte aber meine bessere Hälfte
mit froher Kunde ins Zimmer: für das Bodenturnen
hatte Sie im Wohnzimmer zwei Matratzen bereit
gelegt und um die Ecke gibt es einen Spielplatz mit
hüfthoher Turnstange, genau richtig für den Hüftauf-
schwung. Die Liebe zu ihr war in diesem Moment in
mir nicht sehr groß. Ich trottete ins Wohnzimmer und
erklärte meiner Kleinen zuerst, wie man zum Kopf-
Noch nicht genug gelacht?
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