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Kolumne :: Seite 46
waren, hinterfragte ich in einem lichten Moment
unser denkbefreites Handeln – und bekam es wirk-
lich mit der Angst zu tun. Steckt tatsächlich ein
Virus in diesen Beans? Oder gar außerirdische In-
telligenz? Sofort reiste ich mit drei Beans zum Hei-
delberger Max Planck-Institut und erstellte im La-
bor für Kernphysik eine Diagnostik, bei der selbst
Dr. House vor Eifersucht Beinschmerzen bekom-
men hätte. Aber es war vergebens, mit dem Mitleid
der Laborbesatzung im Gepäck reiste ich mit dem
Ergebnis heim, das es einfach nur dumme Plastik-
Klacker mit drolligen Aufklebern sind – und ich
mich selbst mal besser im Labor für Psychologie
einer Berliner Universität melden sollte.
Wieder zu Hause angekommen, baute ich
dann doch lieber im Kinderzimmer an unendlichen
Parcours, die von den Funky-Beans durchklackert
werden mussten. Tja, ich war auch schon längst
zum Sklaven dieser ausgeklügelten Dinger gewor-
den, die mich daran erinnerten, wie auch mein
Vater früher immer massenweise Zubehör für die
Weihnachtseisenbahn holte, um dann selbst die
Steuerung dauerzubesetzen. Nur das unsere Klei-
nen heute ja viel emanzipierter sind. Leider. Mein
Mädchen durchschaute mein Fieber natürlich so-
fort und degradierte mich umgehend vom Bean-
Coach zum Pferdchen. So ritt ich fortan durchs
Zimmer, während Sohnematz ungestört klackern
durfte und sich von Zeit zu Zeit über das störrische
Pferd aufregte, das seinen Beans in den Weg ritt.
Auch ein versönliches „Hüh“ erweichte die Herzen
meiner Kleinen nicht. Das einzige, was das Pferd-
chen dann nach stundenlangem Betteln doch durf-
te, war ab und zu mal einen Bean als imaginären
Pferdeapfel aus der hinteren Haushosenfalte zu
schütteln. In der Not frisst der Teufel Fliegen – und
so brachte ich es dann wenigstens im Pferdeapfel-
Bean-Klackern zu ungeahnter Perfektion. Nach
Wochen harten Trainings bin ich heute wahr-
scheinlich das weltweit einzige Pferd, das einen
Pferdeapfel-Bean mit über 30 Überschlägen über
das Bein abrollen lassen kann. Und meine Kleine
weiß jetzt auch, warum für Pferde immer das Ge-
räusch „klack, klack“ steht. So haben die Beans in
unserer Spielgemeinschaft doch noch für pädago-
gischen Wert gesorgt, oder? Euer lausitzDADDY
Klack, klack, klack. Auch im Kinderzim-
mer unserer Kleinen ist das Funky Fieber
ausgebrochen. Chad, Paddel und Nuts
heißen die kleinen Plastikbohnen mit ma-
gnetischem Innenleben, die Familien zu ungewoll-
ten Großeinkäufen in der Supermarktkette „real“
zwingen. Ich gebe es als Verfechter pädagogisch
wertvollen Spielzeugs und Bekämpfer des mul-
timedialen Konsumterrors ungern zu: Aber auch
wir sind Opfer dieser Massenbewegung geworden.
Vermutlich ist es auch eher eine Virus-Epidemie,
in der Werbung wird es ja eigentlich auch warnend
mit Funky-Fieber bezeichnet. Wahrscheinlich wur-
den die drolligen Plastik-Klacker in geheimen CIA-
Labors entwickelt, tief verborgen in Bergstollen-
Labyrinthen im afghanischen Hindukusch. Hat sie
ein Kind in die Hand bekommen, werden alle übri-
gen im Umkreis von zehn Kilometern automatisch
infiziert. Bei uns war es so: In der Schule unseres
Kleinen brachte ein real-Jünger einen Funky-Bean
mit und es dauerte keine Woche, da zählte die
Schulbesatzung mehr Funky Beans als Buntstif-
te. Samstags feierten wir Eltern Klassentreffen bei
real und Väter wurden zu Lokomotiven umfunktio-
niert, die eine Schlange vollgestopfter Einkaufswa-
gen zur Kasse schleppten. Ja, auch wir kauften Kaf-
fee, Zahncreme, Waschpulver und was man eben
mal so braucht für drei Jahre auf Vorrat – nur um
für jede verdammten 15 Euro Einkaufswert einen
Funky-Bean abzustauben. Nachdem Küche, Kel-
ler und Dachboden mit Einkäufen vollgeschichtet
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
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