Seite 31 - lausebande-03-2013

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Titelthema :: Seite 31
Dr. med. Torsten Spranger ist Facharzt für Kinder und Jugendmedizin und
1. Pressesprecher des BVKJ Bremen. Er hat schon vielen kleinen Indianern
die Kriegsverletzungen behandelt.
„Schmerz gehört ab und an dazu.“
Interview mit Dr. Torsten Spranger
Beginnen wir mit dem
U n a n g e n e h m s t e n :
Was waren die größten
Schmerzen, die Sie selbst jemals
hatten?
(Lacht) Zahnschmerzen,
nach einer geplatzten Zahnwurzel.
Woran liegt es, dass Menschen
die gleichen Schmerzen unter-
schiedlich wahrnehmen?
Es gibt
Faktoren, die bei der Schmerz-
verarbeitung wichtig sind. Dazu
gehört, dass man begreift, dass
und warum man Schmerzen hat
und das Verständnis, dass es sich
dabei um nichts Schlimmes han-
delt. Schmerzen sind immer dann
schwer zu ertragen, wenn man
die Reichweite nicht abschätzen
kann. Wenn man Angst haben
muss, dass die Schmerzen mor-
gen noch schlimmer sind als heu-
te oder eine gefährliche Krankheit
dahinter steckt, ist das Empfinden
schlimmer. Je kleiner Kinder sind,
umso weniger verstehen sie, dass
Schmerz etwas ist, das ab und an
dazu gehört. Ein kleines Kind mit
Mittelohrentzündung kann gar
nicht verstehen, was gerade los ist
und dass es vielleicht in zwei, drei
Tagen wieder vorbei ist. Ein älte-
res Kind mit derselben Ohrenent-
zündung kann den Schmerz eher
ertragen, da es die Aussicht auf
Genesung hat und versteht, dass
die Medikamente gegen das unan-
genehme Gefühl helfen.
Es gibt gefühlt immer mehr Kinder,
die unter chronischen Schmerzen
leiden – Ist das tatsächlich so?
Ich denke, dass es sich auch hier-
bei um die Schmerzverarbei-
tung handelt. Vor circa zwei Jah-
ren wurde die Kindergesundheit
in Deutschland im Rahmen ei-
ner Studie untersucht. Diese gibt
an, dass immer mehr Schulkin-
der Kopfschmerzen haben. Das
muss man aber isoliert von an-
deren Erkrankungen betrachten.
Kopfschmerzen als Ausdruck von
Überforderung, von Belastung in
der Schule nehmen sicher zu. El-
tern erleben auch Druck in ih-
rem Beruf und Alltag, genauso
wie Zeitmangel. Allein die Ter-
mine, die Familien in der heuti-
gen Zeit in der Schule und außer-
schulisch wahrnehmen (müssen),
können dazu führen, dass Schul-
kinder sich nur dadurch eine Aus-
zeit nehmen können, dass ihr Kör-
per mit Schmerzen reagiert und sie
diese angeben. Für diese Schmer-
zen gibt es keine organischen Ur-
sachen, sie kommen durch (Leis-
tungs-)Druck.
Und wie verhält es sich mit ande-
ren Schmerzen?
Andere Schmer-
zen haben wahrscheinlich nur
gefühlt zugenommen. Viele El-
tern haben nur noch ein Kind,
sind deswegen unsicher und su-
chen häufiger einen Arzt auf. Es
fehlt zunehmend ein allgemeines
Krankheitsverständnis: Es gehört
auch mal ein Tag Bauchschmer-
zen zu einer Magen-Darm-Grippe
oder ein Tag Ohrenschmerzen zur
Erkältung. Eltern wissen schon,
dass das dazu gehört, haben aber
gleichzeitig zunehmend die Sor-
ge, dass es sich dabei um Schlim-
meres handeln könnte. Die Bereit-
schaft, selbst Hausmittel, Ruhe,
Kompressen, Schmerzmittel, etc.
zu verabreichen, ist gesunken.
Viele junge Familien haben den
Anspruch, direkt einen Arzt auf-
zusuchen und sich Hilfe von au-
ßen zu holen.
Ist es nicht besser, erst mit sei-
nem Kind einen Arzt aufzusuchen,
als selbst das komplette Angebot
von Schmerzmitteln durchzupro-
bieren?
Ganz bestimmt. Aber es
schadet in keiner Weise, dem Ge-
fühl zu vertrauen: Ist mein Kind
sehr krank oder ist das eine Erkäl-
tungssymptomatik, die ich mir
selbst erklären kann, die ich be-
reits kenne und bei der ich eine
gewisse
Handlungssicherheit
habe. Dann darf man ruhig ein
paar Tage mit Hausmitteln labo-
rieren. Schmerzmittel hingegen
sollten nicht ohne Sinn und Ver-
stand verabreicht werden. [...]
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