Seite 34 - lausebande-03-2013

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Interview :: Seite 34
dass wir gebaut hatten, wir hatten eine junge Fami-
lie, die Finanzierung klappte nicht. Statt aufzugeben
habe ich mehr gearbeitet. Nach dem Hirnschlag (mit
26 Jahren; Anm. d. Red.) habe ich mir gesagt: Okay,
jeder wird mal krank. Dann wird man aber auch wie-
der gesund und dann geht es weiter. Nach dem zwei-
ten Hirnschlag (mit 28 Jahren; Anm. d. Red.) habe
ich angefangen, zu überlegen. Jeder Mensch ist in
der Lage Unfassbares zu leisten – entweder, wenn
er muss oder wenn er möchte. Heute möchte ich all
diese Dinge machen, die ich machen darf. Deswegen
ist das keine Belastung. Ich stehe auf der Bühne, die
Menschen mögen mich. Es gibt sicher welche, denen
es nicht so geht, aber das hat man immer im Leben.
Ich bin ein Glückskind, egal was da in Zukunft noch
alles passieren mag.
So ein Glückskind waren Sie leider nicht immer: Ihre
erste Tochter starb am plötzlichen Kindstod – hat das
Ihr Verhältnis zu Ihren anderen Kindern beeinflusst?
Ich hatte danach natürlich unfassbare Angst. Als der
Sohnemann geboren wurde, habe ich fast gar nicht
geschlafen. Ich habe ständig nachgesehen, ob er
noch atmet, ob er noch da ist. Ich liebe meine Kinder
über alles, aber man hat ständig Angst um sie. Ob
sie ein Baby sind, wo sie hilflos sind, nichts sagen
können und weinen oder ob sie größer sind. Heute,
im Alter verstehe ich meine Eltern auch besser. Ich
wollte mit 18 Motorrad fahren und bin wie ein Ver-
rückter durch die Gegend gerast. Meine Eltern hatten
Panik. Wenn mein Sohn jetzt ankommen würde mit
der Nachricht, er hätte sich ein Motorrad gekauft,
hätte ich auch Panik um den Jungen. Auf der anderen
Seite muss man sich aber damit abfinden. So ist das
Leben. Meine Schicksalsschläge haben mich stärker
gemacht und nicht dazu geführt, dass ich zusammen
gebrochen bin. Das kann man selbst nicht unbedingt
beeinflussen: Es gibt Menschen, die zerbrechen dar-
an – das kann ich nachvollziehen. Es gibt aber auch
Menschen, die sich sagen: „Kopf hoch, es muss
weiter gehen.“ Deswegen sind sie weder böse, noch
schlecht, noch nicht traurig. All die Dinge, die mir
passiert sind, haben mein Leben beeinflusst. Sie ha-
ben dazu geführt, dass ich der bin, der ich heute bin.
Wie kann es sein, dass jemand, der so viele schlim-
me Erfahrungen machen musste, ein augenscheinlich
sehr zufriedener, glücklicher Mensch ist?
Ich habe eine ganz klare Lebensphilosophie für mich
gefunden. Irgendwann habe ich mir mal bewusst ge-
macht, wie lange wir überhaupt zu leben haben und
wie schnell alles vorbei sein kann. Daraufhin habe
ich folgendes beschlossen: Ich habe keine Zeit um
mich zu ärgern. Natürlich ärgere ich mich auch mal,
natürlich treffe ich auf Menschen, die so fies sind,
aber ich beschäftige mich nicht mehr damit. Außer-
dem habe ich während meiner Krankheit festgestellt,
dass es Parallelwelten gibt: Es gibt die der Gesunden
und die der Kranken. Wenn man ganz ehrlich ist, als
Gesunder, dann muss man sagen, niemand besucht
Horst Lichter ist mit seinem neuen Live-Programm auch in der Lausitz unterwegs
Copyright Fotos: Mario Bok