lausebande-03-2019
selbst Opfer des Systems. Das Problem liegt nach meiner Erfahrung höher, in den Ministerien und der Politik. Dort hat man sich dem Thema lange nicht geöffnet. Die Frage ist: Lernen sie jetzt daraus, oder wollen sie nach einer kurzen Phase der Betroffen- heit wieder zur Tagesordnung übergehen? Da wird immer noch von Einzelfällen gesprochen, bei uns ge- hen aber in wenigen Tagen über zweitausend E-Mails ein. Das ist eine Epidemie von Einzelfällen. Hier geht’s zum Video Wie kamen Sie zu Ihrem Projekt gegen Mobbing und was genau werfen Sie der Berliner Verwaltung vor? Für mich wurde der Kampf gegen Mobbing erst vor fünf Jahren zum Thema, als mein eigener Sohn nach kurzer Zeit an der Schule zumMobbingopfer wurde. Ich wollte meinem Sohn helfen und war entsetzt, wie das System mit dem Problem umgeht. Da habe ich schnell festgestellt, dass der Fisch vom Kopf stinkt. Je höher man ging, desto weniger waren die an dem Problem interessiert. Deshalb habe ich meine Be- kanntheit genutzt und mit meinem Projekt gegen Mobbing angefangen. Erst an der Schule meines Soh- nes, dann in meinem Berliner Bezirk. Das hat sich he- rumgesprochen, bis die Senatsverwaltung mir einen Schulpsychologen vorbeischickte, der im Bezirk die Verantwortung für Gewaltprävention hatte. Der sah das Projekt, war begeistert und wollte sofort eine Zu- sammenarbeit. Im Frühjahr 2016 schrieb er mir auf dem Kopfbogen der Senatsverwaltung eine Emp- fehlung. Er gab meinem „Camp Stahl“ das Prädikat wertvoll und empfehlenswert (alle Dokumente liegen der Redaktion vor). Die Resonanz der Senatsverwal- tung hingegen war, mich auf einmal zu bekämpfen. Das Thema wurde immer mehr politisiert, viele Leu- te kamen vorbei. Schließlich kam Frank Henkel und setzte 100.000 Euro im Berliner Haushalt für Anti- Mobbing-Projekte mit Camp Stahl durch. Ich hatte die Rechnung aber nicht mit der Bildungssenatorin Sandra Scheeres gemacht. Sie bremste das Projekt von ganz oben aus und reagierte über Monate hin- weg auf etliche Schreiben nicht. Mir waren die Hän- de gebunden und viele Projekte an Schulen konnten nicht durchgeführt werden. Es gab nicht mal eine Antwort. Ende 2016 kam Bürgermeister Müller zu einem meiner Projekte und sagte vor laufender Ka- mera, wie wichtig meine Arbeit sei. Als die Kamera weg war, hieß es, dass er wegen meiner Probleme mit dem Senat nichts machen könne und ich mich an Frau Scheeres wenden solle. Die Zeit verrann und das Geld versickerte. Der Kampf, den ich zum Teil gemeinsam mit Schulleitern führte, dauerte bis Ok- tober 2017. Da waren dann noch 12.000 Euro für die Mobbing-Präventionsarbeit an Berliner Schulen üb- rig. Das nennt man austrocknen. Man versucht, ein Projekt kaputt zu machen, das nicht den Befindlich- keiten der Spitze gefällt. Ich bin kein Pädagoge, ich bin ein Aktivist mit Lebenserfahrung. Ich versuche wie ein Streetworker, den jungen Menschen Auswe- ge zu zeigen. Damit kann Frau Scheeres bis heute nichts anfangen. Steht es da um Brandenburg besser? Mein Projekt galt anfangs meinem Sohn, dann dem Schulbezirk, dann Berlin. Nach Brandenburg kam es erst Mitte 2016. Dort habe ich Katrin Lange aus dem Innenmi- nisterium unendlich viel zu verdanken. Sie hat sofort den Wert des Projektes erkannt. Sie hat ihren Minis- ter überzeugt, sodass ich vom Innenministerium ge- fördert wurde. Die Bildungsministerin hingegen hät- te mich wohl auch verhindert, wenn es nach ihr ge- gangen wäre. Sie wurde zum Glück von anderen über die Ziellinie geschoben, auch wenn sie sich selbst nie vom Projekt überzeugt hat. Schließlich unterstütz- te auch das Bildungsministerium Brandenburgs mein Projekt, Dietmar Woidke wurde sogar einmal Schirmherr. Mittlerweile mache ich das deutschland- weit und habe bisher über 41.000 Schüler erreicht, mache Workshops für Lehrer und Eltern, habe so- gar eine Anfrage von einem Luftwaffenstützpunkt. Ich arbeite auch bei der Bundeswehr und in Unter- nehmen. Um kurz auf Ihre Frage zu antworten: Bran- denburg ist bis heute offener und nicht so ignorant wie der Berliner Senat. Kann man Ihre Workshops derzeit auch in der Lau- sitz buchen? Ich bin auch schon in der Lausitz gewe- sen. Morgen fahre ich nach Fürstenwalde und mache einen Workshop mit 450 Schülern, da kommen So- zialarbeiter und selbst die Bürgermeister von Fürs- Spezial :: Seite 36
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