lausebande-03-2019
tern Workshops, in denen sie lernen, Mobbing zu erkennen und sich im Hilfesystem zurechtzufinden. Noch heute sagen 50 Prozent der Direktoren, es gäbe an ihrer Schule kein Mobbing – aus reiner Angst, als Problemschule dazustehen. Selbst wenn Eltern kommen, werden ihre Probleme als Einzelfälle her- untergespielt. Ich habe mich nicht kleinkriegen las- sen, das ist aber die große Ausnahme. Diese Akzep- tanz habe ich mir hart erstreiten müssen, dazu muss man das Bildungssystem infrage stellen. Das ist für viele unangenehm. Warum wenden Sie sich nicht an die Eltern, haben die nicht ebenso Schuld? Ich halte das System für entscheidender. Vielen sogenannten Qualitätsme- dien habe ich die gleichen Infos wie Ihnen gegeben. Eine Stunde Gespräch, den ganzen Schriftverkehr mit der Senatsverwaltung – und schließlich kamen bei großen Zeitungen drei Zeilen dabei heraus, dass ich als selbsternannter Experte in Deutschland Fuß fassen wolle. Die kennen die Wahrheit, sie passt aber nicht zu jedermanns Haltung. Natürlich müssen Re- spekt und Toleranz zuallererst von den Eltern ver- mittelt werden. Dazu sind die ersten fünf Jahre ent- scheidend. Kinder sind das Spiegelbild ihrer Eltern. Lernen Kinder nicht früh Respekt und Toleranz, ha- ben es die Pädagogen noch schwerer. Wenn man sich aber den Selbstmord des Berliner Mädchens anschaut, wird schnell klar, warum ich mich an das Bildungssystem wende. In der Schule gab es massive Probleme. Trotzdem hört man jetzt von allen Betei- ligten, dass die alles gemacht haben. Sie hatten doch Sozialarbeiter und Konfliktlotsen. Da laufen sicher ein paar Menschen rum, aber Konfliktlotsen sind kleine Kinder. Die kriegen doch aufs Maul, wenn sie Größeren etwas vorschreiben. Das Schulamt hat trotz vieler Hilferufe weder weitere Hilfe geschickt noch auf Signale hin gehandelt. Hier steht unterlassene Hilfeleistung im Raum. Für mich stinkt das zum Him- mel. Da stirbt ein Kind und mir wirft man vor, wü- tend zu sein. Ich bin ein liebender Vater, der zuerst seinem Sohn half und jetzt mit „Stoppt Mobbing“ in ganz Deutschland jungen Menschen hilft. Warum bitte setzen wir uns nicht zusammen an einen Tisch? Mit wem wollen Sie sich an einen Tisch setzen? Wir haben 10 Millionen Schüler und über 32.000 Schulen in Deutschland. Das kann kein einzelnes Projekt schultern. Wir müssen gemeinsam Erfah- rungen bündeln. Dafür kämpfe ich seit fünf Jahren und bin für alles offen. Wenn die Ministerien angeb- lich Konzepte gegen Hass, Gewalt und Mobbing an der Hand haben, wieso haben wir dann immer mehr Opfer, Brutalität und Gewalt an den Schulen? Wieso habe ich dann soviel Resonanz, wenn alles, was das System hat, so toll ist? Wir müssen hier endlich alte Muster und Vorbehalte überwinden. Solange manch Diplomierter nicht über seinen Schatten springt, nur weil er unter seinesgleichen bleiben will, wird das nicht funktionieren. Carsten Stahl mit Bundesbildungsministerin Franziska Giffey und Dr. Dietmar Woidke, Schirmherr eines Projekts von Camp Stahl. Spezial :: Seite 38
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