lausebande-03-2019

Glauben Sie, die Bereitschaft für Gemeinsamkeiten nimmt jetzt zu? Ich hoffe es. Berlin hat das allerdings noch nicht auf die Reihe bekommen. Ich habe aber versprochen, dass ich nicht schweigen werde, wenn etwas passiert. Als sich der Elternbeirat nach dem Suizid des Mädchens an mich gewandt hat, kam zu- tage, was an dieser Schule los war. Herr Müller und Frau Scheeres stellten sich betroffen vor die Kamera und sagten, da müsse man handeln. Da ging mir die Hutschnur. Diese falsche Betroffenheit hat mich wü- tend gemacht und ich habe mit meinem Video klar gemacht, dass es nicht um die Politiker geht, son- dern um die Schüler. Jetzt wird über das Thema ge- sprochen, leider zu spät. Die Frage ist nun, ob wir daraus lernen. Ende Februar gibt es im Berliner Ab- geordnetenhaus erstmals einen öffentlichen Sonder- ausschuss zum Thema Mobbing. Die CDU hat mich eingeladen, als Experte zu sprechen. Ich hoffe, dass man das Thema in Berlin und Deutschland jetzt end- lich ernst nimmt. Für mich schließt sich ein Kreis jah- relangen Kampfes. Sechs Beerdigungen wegen Mob- bings und fünf Jahre Arbeit an der Basis haben mir viel Wissen beigebracht. Die Politik hat selten etwas von allein bewegt. Sie hat immer nur Impulse auf- gegriffen. Jetzt sind wir am Zug. Ich kann öffentlich dafür sorgen, dass Sandra Scheeres das nicht mehr klein reden und wieder in der Schublade verschwin- den lassen kann. Es ist die Pflicht aller, aus Fehlern zu lernen und unseren Kindern das Leben sicher zu machen. Wenn Politiker das nicht können, dann sol- len sie ihre Sachsen packen und bei Rewe Marmela- de in die Pfannkuchen pressen. Halten Sie die aktuelle Debatte infolge des Tods der 11-jährigen Schülerin nicht für ein Strohfeuer? Ich bin kein Strohfeuer. Berlin hat fünf Jahre ver- sucht, meine Arbeit zu blockieren. Es kocht hier an allen Schulen. Da ist zum Beispiel ein Mädchen, das sich im November letzten Jahres mit elf Jahren aus dem siebenten Stock gestürzt hat. Die Kleine hat wie durch ein Wunder überlebt, wird aber ihr Leben lang im Rollstuhl sitzen. Nach wochenlangem Koma und nachdem keiner wusste, warum das passiert war, öff- nete sie sich. Sie wurde von anderen fertig gemacht und wollte nicht mehr leben. Ich besuche das Mäd- chen im Krankenhaus, habe ihr Vertrauen gewon- nen. Sie will jetzt anderen Kindern helfen und er- zählen, was mit ihr passiert ist. Ich stehe mit die- sem Kind genauso im Austausch wie mit einem dun- kelhäutigen siebenjährigen Jungen an einer Schule in Steglitz, der an seiner Schule als Nigger von älte- ren Kindern fertiggemacht wird und mit Hämatomen übersäht nach Hause kommt. Der Zustand an den Berliner Schulen geht darüber hinaus. Wollen Sie ein weiteres Beispiel? Ein 13-jähriger Schüler hat ei- nen anderen auf dem Schulweg mit 10 Messerstichen abgestochen. Das ist für uns versuchter Mord, weil er aber minderjährig ist, muss der Junge weiter be- schult werden. Was macht die Berliner Verwaltung? Sie setzt den Jungen in eine andere Schule zwischen neue Kinder, die von nichts wissen. Auch die Eltern und Lehrer wissen von nichts. Der Direktor weiß le- diglich etwas von Körperverletzung. Die Verant- wortung für die tickende Zeitbombe trägt aber eine Frau Scheeres, über deren Tisch solch ein Fall gehen muss. Ich kann die Liste beliebig fortsetzen. Sie kom- men inzwischen alle zu mir. Offiziell degradiert man sie zu Einzelfällen, ist das nicht schrecklich?! Es wer- den aber immer mehr und ich werde keine Ruhe ge- ben. Meine Videos erreichen Millionen und es gibt immer mehr Verbündete. Auf unserer Seite „Stoppt Mobbing“ haben schon Tausende ihr Bild hochge- laden und unterstützen unseren Kampf. Von vielen inspiriert werde ich nun zusammen mit der größten Online-Petition unter www.change.org eine bundes- weite Kampagne gegen Mobbing machen. Wir danken für das Gespräch. Informationen zu den Projekten und Aktivitä- ten von Carsten Stahl gibt es unter: www.stoppt-mobbing.de Hier können ALLE im ersten Menüpunkt MACH MIT den Kampf gegen Mobbing unterstützen und ihr eigenes Bild hochladen. www.camp-stahl.de Hier gibt es Informationen zu Präventionsprojek- ten gegen Mobbing und Gewalt insbesondere an Schulen, aber auch zu Seminaren für Lehrer, El- tern und Unternehmen. Die Petition gegen Mobbing kann unterstützt wer- den unter: www.change.org Spezial :: Seite 39

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