landebande-03-2020

Kolumne :: Seite 47 lausitzDADDY Innenansichten eines verzweifelten Vaters Superpädagoge ging einmal mehr mit mir durch. Ich las drei Bücher und einige Aufsätze von Hirnforscher Manfred Spitzer, allen voran das über „Digitale De- menz“. Danach war ich überzeugt, dass mein Junior kurz vorm geistigen Bankrott steht, zwischen Pixeln vereinsamt und sein Gehirn in wenigen Jahren auf Erbsengröße dezimiert ist. Superdaddy musste gegen Fortnite ins Feld ziehen und sein Kind retten. Ich be- reitete eine Präsentation vor und lud die Familie zum harten Faktenabend: „Über den unvermeidbaren Un- tergang junger Menschen vor digitalen Bildschirmen voll böser Macht“. Die wahre Achse des Bösen reicht von der Tastatur bis zum Rechner, vom Player bis zur Konsole. Das Gehirn wird unterentwickelt, soziale Kontakte brechen ein, die Sprache verarmt, der Bezug zur Realität geht verloren – die abschreckenden Bilder auf Zigarettenpackungenwaren gegenmeinenVortrag wie liebevolle Einträge von Kleinkindern ins Poesieal- bum bester Freunde. Scans dementer Hirne, schielen- de oder dehydrierte Jugendliche, konsolendeformierte Gliedmaßen flimmerten durch meine Präsentation. Mein Junior wurde ganz ruhig und ich feierte inner- lich meinen Triumph. In zwei Tagen wolle ich wissen, wie er sein Leben künftig gestalten wolle, formulierte ich mit tiefergelegter Stimme. Fast wie der Pate. Zwei Tage später lud mein Junior zur Präsentation. Er führ- te durch neun internationale Studien mit enormen Hirnaktivitäten bei Fortgeschrittenen im Fortnite- Universum. Dann stellte er uns seine Spielfreunde aus Deutschland, Europa, Amerika und Asien vor, deren Familien und Lebensgeschichten. Einen Teil dieses Abschnitts wiederholte er noch einmal auf Chinesisch, „damit Superdaddy vielleicht noch ein paar Synapsen aktivieren kann“. Und am Vortag hat er 200 Dollar in einem Online-Turnier gewonnen, in nur drei Stunden Spielzeit. Wieviel der werte Vater mit 16 verdient habe? Da war wohl mal stolz die Rede von 2,50 Mark pro Stunde auf dem Bau. Aha. In meinem Hirn klackerte es wie in einer Kiste Holzbausteine, während mein Junior auf die Zielgerade einbog. „Wer auf der Stelle tritt, kann nur Sauerkraut fabrizieren. Peter Ustinov“, zitierte er bei seinem Finale. Betreten schaute ich auf denHerd, wo ich zumAbendbrot Kartoffeln, Bratwurst und Sauerkraut zubereitet hatte. Die Familie applau- dierte, während ich das Sauerkraut rührte. Und sauer macht nicht immer lustig. Euer lausitzDADDY Computerspielen macht doof, verschwen- det Geld und Lebenszeit und sorgt zudem für die Verarmung sozialer Kontakte, davon war ich bis zum letzten Monat zutiefst überzeugt. Ich konnte mit Computerspielen nie etwas anfangen. Als unsere Kinder noch klein waren, habe ich alle digita- len Feindbilder von meinen kleinen Einsteins fernge- halten. Statt Nintendo und Roboterplüschtieren gab es Holzbausteine und LEGO. Das Höchste der Gefühle war mal eine Lok auf der Holzeisenbahnstrecke, die beim Überqueren einer bestimmten Schiene automa- tisch ein lautes „Tuut tuut“ von sich gab. Zwischen Büchern und analogen Spielwaren wurden unsere Kinder zu äußerst sozialen Wesen, was schon an der Plüscharmee deutlich wurde, die sich bis übers zehnte Lebensjahr hinaus an ihren Betträndern versammelte. Während andere Kids an der Seite von Super Mario super verblödeten, wurden unsere Kleinen zu Einser- schülern, die auf dem Schulhof nie allein standen. Und dann kam bei unserem Junior die Pubertät. Im Zeitalter der Digitalisierung werden Computerspie- le für Jugendliche zur Moped-Gang der Neuzeit. Wäh- rend wir uns früher an der Stadtmauer trafen oder mit den Mopeds unterwegs waren, taucht der Spross des heutigen Bildungsbürgertums offensichtlich in ganz andereWelten ein. Bei meinem Junior heißt dieseWelt „Fortnite“, eine bunte Bilderflut in nimmerendenden Spielerlebnissen. Was bei uns das frisierteMoped samt aufgebohrtem, knatterndemAuspuff war, ist heute der Hochleistungsrechner mit zwei Reaktorkernen und Grafikkarte samt Zeitreisefunktion, die Bildfrequenzen in einer Geschwindigkeit abspult, dass man manch- mal aus Versehen in der Zukunft landet. Unser Juni- or landet jedenfalls immer öfter auf seinem digitalen Spieleplaneten. Im letzten Monat entschied ich mich, etwas dagegen zu unternehmen. Sie ahnen schon, der Noch nicht genug gelacht? Alle Kolumnen zum Nachlesen unter www.lausebande.de

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