lausebande-04-2021

Wie sah ihr Arbeitsalltag im ersten, wie sieht er nun im anhaltenden zweiten Lockdown aus? Bei Kindern und Jugendlichen kann es in Anpas- sungsphasen vermehrt zu psychischen Auffällig- keiten kommen. Das betrifft meist Familien, in denen Eltern wenig eigene Ressourcen zur Ver- fügung haben, um ihre Kinder zu unterstützen. Da im ersten Lockdown gerade für diese Familien viele Hilfen wie ambulante Familienhelfer oder Tagesgruppen plötzlich weggefallen sind, haben sich die psychischen Probleme insbesondere von Patienten aus benachteiligten Familien zu- gespitzt. Mit dem zweiten Lockdown sehen wir immer mehr Patienten, die aus gut aufgestellten Familienhäusern kommen. Viele Gymnasiasten sind darunter. Wir haben solche Patienten früher auch gesehen, aber sie kommen jetzt zusätzlich mit Störungen, die direkt durch die Pandemie bedingt sind. Die Schließung der Schulen, der Entzug von Freunden und Freizeitmöglichkeiten – all das manifestiert Ängste bis hin zu Panikat- tacken. Jugendliche fragen nach dem Sinn, das Thema Tod und Gedanken um Suizid werden ge- äußert. Depressionen haben stark zugenommen. Viele Kinder konnten Verluste im ersten Lock- „Nach dem Lockdown ist vor dem Lockdown“ Interviewmit Kati Bott, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin sowie Verhaltenstherapeutin in Cottbus down noch kompensieren, nun geht aber die Kraft bei Kindern und Jugendlichen, vor allem auch bei den Eltern zu Ende. Viele Patienten empfinden in der Unvorhersehbarkeit den größten Stress. Sie sehen keine Planungsmöglichkeit, wie es weiter- gehen soll. Sie werden allein gelassen, vor allem an den Gymnasien mit Aufgaben überhäuft. Un- terstützung bleibt teils völlig aus. Es gibt wenige oder teils keine Anrufe von Seiten der Schule, der Kontakt per E-Mail ist schwierig, der äußere Rahmen und die Struktur fehlen. Je größer die Patienten sind, desto klarer benennen sie das. Sie fühlen sich sozial isoliert, haben zunehmend Zukunftsängste, Schlafstörungen nehmen zu, Tages- und Nachtrhythmus sind verschoben. Im Vergleich zum ersten Lockdown sehe ich eine starke Veränderung. Gut 80 % meiner Patienten behandle ich inzwischen nicht direkt auf eine psy- chische Störung, sondern bringe sie von Woche zu Woche über die Coronazeit. Sind Kinder im Kita- und Grundschulalter be- sonders betroffen? Bei Grundschulkindern nehmen Versagensängste zu. Es kommen immer mehr Eltern, die ihr Kind diagnostizieren lassen, weil es nicht schreiben Corona Update ‹ 39

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