lausebande-04-2021

ein Diktat. Hilfe gibt es nicht, eher im Gegenteil. Schaffen die Kinder eine Aufgabe nicht, gibt es unangenehme Nachfragen und eher einschüch- ternde Konfrontationen. Der Druck wächst. Oft fehlen dabei Informationen zu den Aufgaben oder Aufgaben werden nach kurzer Zeit aus der Cloud entfernt, sodass man keine Chance zum Nacharbeiten erhält. Der Altersdurchschnitt der Lehrer an der Schule ist auch einfach zu hoch – schon daher ist zu verstehen, dass für die not- wendige flexible Beschulung mit modernen An- geboten einfach die Kompetenzen fehlen. Man kann vielen Lehrern nicht einmal einen Vorwurf machen. Es fehlt aber insgesamt das Mitein- ander, wir stehen schließlich alle vor dieser Her- ausforderung. Tina: Unsere Schulcloud besteht aus einer Sammlung hochgeladener PDF-Dateien für die gesamte Schule, aus denen wir uns die zu- treffenden Informationen und Aufgaben zu- sammensuchen müssen. Die Kinder sind allein gar nicht dazu in der Lage. Sie sind abhängig von der Hilfe der Eltern. Das Schulmaterial be- steht oft aus eingescannten Links, die wir El- tern abschreiben und für die Kinder aufbereiten müssen. Mit Digitalisierung hat das nichts zu tun. Die 100 Prozent, die unsere Schule von den Kindern einfordert, müssen wir als Hilfslehrer zu Hause neben unseren Vollzeitjobs abliefern. Meist müssen wir neben dem Durchsuchen der Schulcloud die Materialien ausdrucken und auch noch sämtliche Erklärungen übernehmen. Lehrer verweisen bei unseren beiden Kindern fast ausschließlich auf Lehrbuchseiten. Das funktioniert bei Grundschülern in den ersten Schuljahren so aber nicht. Eine einzige Lehrerin hat sich kurzfristig an Videounterricht versucht, der mit dem Beginn des Wechselunterrichts aber wieder eingestellt wurde. Allerdings müssen wir auch das als Eltern technisch begleiten und wechseln dann vom Firmenmeeting in den Vi- deounterricht, was bei Überschneidungen für zusätzlichen Stress sorgt. Funktionierte das Miteinander mit der Schule im Frühjahr 2020 besser? Tina: Im Frühjahr 2020 ist die Schule schlichtweg erstarrt, da gab es gar nichts. Wir hatten keine Cloud, da mussten wir deutlich weniger Schule machen und es wurde nicht dieser absurde Druck ausgeübt. Jetzt konzentrieren wir uns auf Deutsch, Mathe, Englisch – also die wichtigen Fächer. Wenn dann ein Osternest gebastelt oder ein Kreuzworträtsel für den Musikunterricht aus- gefüllt werden muss, lassen wir das ausfallen. Die Kinder bekommen dafür beständig etwas auf den Deckel, wenn sie selbst in den weniger relevanten Fächern die umfangreichen Aufgabenpakete nicht vollständig abarbeiten. Die Kinder können aber nichts dafür, dass wir Eltern einfach nicht mehr Zeit in die Schule investieren können. Tom: Ja, im ersten Lockdown war Schule ent- spannter, ein Miteinander war aber auch damals nicht spürbar. Jetzt sind es deutlich mehr Auf- gaben und Leistungsdruck geworden. Es werden zu 100 Prozent Lehrpläne durchgezogen, als gäbe es keine Pandemie. Wir spüren kein Verständnis für die Situation der Eltern und der Kinder. Hätte man das, könnte man sich auf wesentliche Lehr- inhalte konzentrieren und Vieles flexibler hand- haben. Welche Veränderungen gab es bei euch in der Erwerbsarbeit vom ersten zum zweiten Lockdown? Tom: Mein Arbeitgeber ist gut aufgestellt und wir sind auch weit in der Digitalisierung. Da lief es mit Beginn des ersten Lockdowns erstaun- lich reibungslos. Virtuelle Meetings waren für uns kein Neuland. Ich habe im Homeoffice zwar nicht die Ruhe wie im Büro, aber nach einem Jahr Arbeit daheim hat sich doch vieles einge- spielt. Tina: Bei mir ist das trotz öffentlich-rechtlichem Arbeitsverhältnis eine riesige Katastrophe. Ho- meoffice war von Anbeginn unerwünscht, es gab keine klaren Regelungen, sondern Indivi- duallösungen für jeden Einzelnen. Erst zum Jah- resbeginn 2021 setzte ein Umdenken ein – und auch nur auf die Homeoffice-Verordnung hin. Die Arbeit an entsprechenden Lösungen begann deshalb viel zu spät und zog sich dann über Wo- chen hin. Mangelndes Vertrauen und die Sperre im Kopf haben auf Arbeitgeberseite ein Problem verschleppt, das vor allem den Mitarbeitern auf die Füße fällt. Und uns Müttern ganz besonders. Wie sieht euerAlltag imzweitenLockdown aus? Tina: Im Grunde arbeiten wir den ganzen Tag, die Grenzen der Erwerbsarbeit haben sich aufgelöst. Ich habe jeden Tag 16 Stunden zwischen Homeof- fice, Schulbetreuung, Essen machen und Haus- halt verbracht. Tom: Die Arbeit füllt die Zeit, die der Tag lässt. Es geht insgesamt auf Kosten der Freizeit, die im Grunde in der Arbeitswoche völlig entfällt. 44 › Corona Update

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