lausebande-04-2021
Welche Hilfen nehmt ihr sonst in Anspruch? Tina: Aus der Familie kann niemand helfen. Ein Großelternpaar ist noch beruflich eingespannt, eine Oma mit der Coronasituation völlig überfor- dert. Eine Tante hilft von Zeit zu Zeit, muss aber eigene Angehörige pflegen. Und Hilfesysteme kommen für Familien wie uns eigentlich nicht infrage. Wo empfindet ihr es als Makel bzw. Schwäche, wenn ihr als Eltern an Grenzen kommt? Tina: Auf der Arbeit kann man nicht offen dar- über sprechen. Man ist als Mutter ja so schon abgestempelt, weil man Kinder hat und damit immer ein gewisses Ausfallrisiko verbunden wird. Als Führungsperson und durch man- gelndes Verständnis in der Chefetage kann ich dort keine Schwäche zeigen. Tom: In meinem Team kann ich recht offen dar- über sprechen. Privat und mit Freunden geht das auch. Im Freundeskreis haben wir Familien mit ähnlichem Bildungsstand und Kindern in ähnli- chem Alter. Die Probleme sind überall sichtbar, mal stärker, mal weniger stark ausgeprägt. Tina: Ein gutes Beispiel lieferte ein Beitrag in einem regionalen Medium. Dort berichteten Mütter über die Herausforderungen aus Ho- meoffice und Homeschooling mit Zuversicht und eher positivem Grundtenor. Wir kannten sie und wussten, dass sie in sehr ähnlichen Situ- ationen mit extremem Stress steckten, mit Ner- venzusammenbrüchen und leidenden Kindern. In der Öffentlichkeit stehen sie nicht dazu, weil es ein Makel ist. Aktuell wird suggeriert, dass der Wechselunterricht Familien endlich ent- lastet. Für uns ist das nicht so. Wir haben tägli- chen Wechselunterricht und ein Kind ist immer zu Hause. Uns und den Kindern ist mit dem Hin und Her nicht geholfen. Für die Familien wird nichts getan. Tom: Ich habe inzwischen auch den Eindruck, dass Offenheit egal ist, weil niemand uns helfen kann. Jeder schwimmt für sich. Es ist überhaupt nicht spürbar, dass seitens Politik an Lösungen für uns und unsere Kinder gearbeitet wird. Der Weg ist unklar und wir versuchen nun alle, die Zeit irgendwie zu überstehen. Tina: Früher waren Ferien auch ein Zeitraum der Entspannung. Nun ist das anders. Kaum dass der Wechselunterricht gestartet ist, dürfen die Kinder vieler Familien nicht einmal in den Ferienhort. Das Kind war jetzt kurze Zeit jeden zweiten Tag in der Schule – und ist nun wieder 14 Tage zu Hause. Es gibt immer wieder neue Regelungen, die wiederum eine Abstimmung mit dem Arbeitgeber erfordern, bei dem das Ver- ständnis schwindet. Es ist eine fortwährende Be- lastung. Das ist manchmal ein dritter Job, sich über immer neue Regelungen zu informieren und das dann auch umzusetzen. Was haltet ihr von der Erhöhung des Eltern- gelds als Beitrag des Staats? Tom: Geld ist an dieser Stelle kein wirksamer Hebel, um die täglichen Herausforderungen in der Pandemie zu bewältigen. Etwas mehr Geld ändert an den Problemen nichts, die Herausfor- derungen liegen woanders. Welche Unterstützung würdet ihr euch wün- schen? Tina: Das Fahren auf Sicht sollte ein Ende haben. Wir brauchen endlich mal eine Strategie, die sich auf mehrere Monate erstreckt. Es muss ein Ende haben, dass alle zwei Wochen neue Verord- nungen und neue Maßzahlen gelten. Tom: Beschlüsse sollten auf guten Plänen be- ruhen. Aktuell hat man das Gefühl, das zuerst beschlossen wird und erst nach mehreren Wo- chen ein Plan dazu existiert, der dann durch neu- erliche Beschlüsse überholt wird. Wir merken das aktuell mit der Teststrategie an Schulen: Hier herrscht wiederum blankes Chaos und wir Eltern rennen mühselig den Informationen hin- terher. Wir stehen jedes Mal vor neuen Fragen. Es wurde erneut ein Beschluss gefasst und wir Eltern müssen dann Lösungen suchen. Das zer- mürbt. Fehlt tatsächlich ein Plan oder handelt es sich einfach um ein Informationsdefizit? Tina: Beides. Es wird nur reagiert. Ein Plan ist für uns als betroffene Familie nicht erkennbar, vor allem in der Schule nicht. Tom: Uns fehlt vor allem das Miteinander. Es werden einfach Beschlüsse gefasst, wir Eltern werden überhaupt nicht einbezogen und er- halten dann auch keine klaren Informationen. Wir sollen es dann aber umsetzen. Wir haben in Deutschland ein gut ausge- bautes Hilfesystem, ist euch klar, wo ihr au- ßerhalb einer professionellen Therapie Hilfe erhalten könnt? Tom: Mir ist das nicht klar, es kommt sicher aber auch daher, dass solche Hilfen für uns nie in- 46 › Corona Update
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