lausebande-04-2025

58 › Titelthema mittel und selbst saubere Luft knapp werden könnten. So vermindert das Fehlen großer Pflanzenfresser wie unseres Wisents den Bestand bestäubender Insekten wie Bienen, Hummeln oder Schmetterlinge – und damit das Nahrungsangebot. Wie stark uns das inzwischen beeinflusst, zeigt sich sehr gut am Beispiel unserer Agrarwirtschaft: Die landwirtschaftlich genutzte Fläche macht in Deutschland mit stolzen 16,6 Millionen Hektar die Hälfte der gesamten Fläche unseres Landes aus. Sie liefert zuverlässig Nahrung und per Biomasse auch Energie. Beides ist lebensnotwendig, aber viele der angebauten Pflanzen bestäuben sich nicht von selbst. Eine Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften von 2020 verdeutlicht die Abhängigkeit unserer Agrarwirtschaft von der Artenvielfalt. Mit 87 von 115 der weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanzen überwiegt der Anteil an Pflanzen beträchtlich, die durch Tiere – vorwiegend Insekten – bestäubt werden müssen. Ob Äpfel, Birnen, Beeren und Gurken oder selbst Kaffee – unzählige Früchte sind wesentlich von kleinen Bestäubern abhängig, bei anderen sind sie entscheidend für gute Erträge. Mit dem Wegfall bestäubender Arten würde laut Berechnungen jährlich ein wirtschaftlicher Schaden von 1,13 Milliarden Euro auf deutscher Ebene und 14,6 Milliarden Euro auf europäischer Ebene entstehen – Folgeeffekte von steigenden Lebensmittelpreisen bis zur Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln sorgen für deutlich höhere gesellschaftliche Kosten. 2022 warnten Ökonomen unter anderem der Cambridge University in einem Bericht sogar davor, dass insbesondere Entwicklungsländern durch das Artensterben und fehlende Ökosystemleistungen wie das Bestäuben durch Insekten der Staatsbankrott drohen könnte. Inzwischen behilft sich die Agrarwirtschaft immer stärker mit dem nächstgelegenen Insekt, der Honigbiene. Wildbienen gewährleisten bei gleichem Arbeitsaufwand hingegen einen doppelt so hohen Fruchtansatz und somit viel höhere Erträge. Viele Nutzpflanzen sind zudem auf die Bestäubung durch ganz andere Insekten wie Mücken, Käfer oder Schmetterlinge angewiesen. Der Sinkflug der Artenvielfalt wirkt über Agrarflächen somit direkt auf unsere Lebensmittel. Wenn wir also Arten vom Insekt bis zum Wisent schützen, dann schützen wir damit auch uns selbst und vor allem künftige Generationen, denen wir ein sicheres und gesundes Leben auf unserem Planeten ermöglichen wollen. Artensterben im Zeitraffer Dabei kann man vielen Tierarten bei ihrem Überlebenskampf tatsächlich zusehen – weltweit und vor der eigenen Haustür. Mit den Geschichten von fünf bedrohten Tierarten landen wir nach einer kleinen Weltreise in der Lausitz: Der Vaquita ist mit seiner geringen Körperlänge von 1,5 Metern der kleinste Wal der Welt und wird dank seiner hell-dunklen Färbung auch gern als „Panda der Meere“ bezeichnet. Die scheuen Tümmler leben das ganze Jahr über im Golf von Kalifornien zwischen dem Festland Mexikos und der Halbinsel Niederkalifornien, wo sie sich von bodenlebenden Fischen, Tintenfischen und Garnelen ernähren. Das haben sie mit einem etwas größeren Fisch gemeinsam, hinter dem die Fischer an der Küste Mexikos her sind. So verfangen sich auch die Vaquitas in den Stellnetzen aus dünnem Nylon, können zum Luftholen nicht mehr an die Wasseroberfläche und ersticken kläglich. Innerhalb kürzester Zeit hat der Mensch den kleinen Säuger nahezu ausgerottet – 1997 wurden noch 600 Tiere gelistet, 2015 zählte ihr Bestand nur noch 60 Tiere, 2022 wurde der komplette Bestand auf eine Restpopulation von 6 bis 10 Individuen geschätzt. Der Vaquita gilt als bedrohtester Meeressäuger unserer Zeit und steht seit Jahren an der Schwelle zum Aussterben. Schutzbemühungen von Einfangen und Zucht bis Verbot der Fischerei blieben dennoch erfolglos. Selbst als Der Vaquita gilt mit einer Population von zuletzt 6 bis 10 Individuen (noch) als Überlebenskünstler. Foto: Sportactive, istock

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