lausebande-05-2020
Spezial :: Seite 118 Das erleichtert sicher auch die „Schule zu Hause“ und hat dort digitale Schulbildung enorm vo- rangebracht. Sie haben selbst in Brandenburg promoviert, wir Brandenburger murren ja oft über die hinteren Plätze unseres Schulsystems im föderalen Vergleich – gibt es beim Thema Digitalisierung und Home- schooling Unterschiede eher zwi- schen Bundesländern oder eher zwischen einzelnen Schulen? Die Unterschiede bestehen im ak- tuellen Stadium eher zwischen Schulen. Wir beobachten ver- stärkt, dass sich genau jene Schu- len stärker digitalisieren und auf den Einsatz entsprechender Ge- räte ausrichten, bei denen die El- tern die notwendige Hardware kofinanzieren können. Diese Ent- wicklung halte ich für gefährlich, weil sie auf Schulen beschränkt bleibt, die ein gewisses sozio- ökonomisches Einkommen der Eltern vermuten können. Die- ser Trend zeichnet sich nicht nur deutschland- sondern auch welt- weit ab. Gymnasien und viele pri- vate Schulen setzen digitale Ge- räte so vor anderen Schulformen ein. Bei Vergleichen, welches Bun- desland bei digitaler Bildung vorn und welches hinten liegt, verspüre ich immer Unbehagen. Wir unter- scheiden lieber die Haltungen ein- zelner Schulen zu digitalen Tech- nologien, dabei haben sich drei verschiedene Formen herauskris- tallisiert. Keine davon ist vorn, sie kennzeichnen lediglich einen an- deren konzeptionellen Umgang. Es gibt Schulen, die wollen „be- hutsam“ digitalisieren. Sie sehen Schülerinnen und Schüler digita- len Medien ausgesetzt und hier geht es oft um digitales Mobbing, das viel weiter reicht als physi- sches Mobbing, weil es auch au- ßerhalb der Schule präsent bleibt. Diese Schulen sehen sich als ein Ort, der durch die Abwesenheit von Geräten einen Schutzraum bieten kann. Andere Schulen ent- scheiden sich zur Nutzung digita- ler Geräte und der Stärkung digita- ler Kompetenzen der Schüler, die dadurch auch den Umgang mit di- gitalem Mobbing erlernen sollen. Sie lassen sich in zwei weitere Hal- tungen unterscheiden. Bei einer sprechen wir vom „enthusiasti- schen“ Digitalisieren, hier geht es um coole, neue Technologien und deren Anwendung in verschiede- nen Projekten. Dieser Weg ist sehr technikfokussiert, man entdeckt sozusagen mit großer Euphorie die neuen Möglichkeiten der di- gitalen Technologien. Bei der an- deren Haltung sprechen wir von „postdigitalen“ Konzepten – die- se Schulen verwenden schon seit längerer Zeit Software und Gerä- te. Hier ist die Digitalisierung be- reits in den Hintergrund geraten. Es wird zwischen analogen und digitalen Formen gewechselt, je nachdem, was gerade erfolgver- sprechender scheint. Hier geht es nicht um die Technik, sondern um die Aufgabe, das Ziel oder die kri- tische Reflexion. Die Digitalisie- rung ist dabei im Lernalltag zur Selbstverständlichkeit geworden. Das aktuelle Homeschooling läuft sehr unterschiedlich: Einige Leh- rer gestalten Unterricht per Video- konferenz, manche halten per Te- lefon oder E-Mail-Kontakt, von anderen wiederum hörten die Schüler seit der Schulschließung fast gar nichts. Welches Maß an Kontakt sollten Lehrer Ihrer An- sicht nach haben, um Schüler bestmöglich beim Homeschoo- ling zu fördern? Die Forschung redet hier von syn- chronem und asynchronem Ler- nen. Asynchron bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler an- hand eines Tages- oder Wochen- plans Aufgaben nach ihrem ei- genen Rhythmus bearbeiten und bis zu einem bestimmten Zeit- punkt abschließen. Synchrones Lernen ist Unterricht zur gleichen Zeit, egal ob im Klassenraum oder jetzt beim Videocall. Die For- schung sagt wie so oft, dass eine Mischung aus beidem der idea- le Weg ist. Das ist recht selbstver- ständlich. Keine Familie und kei- ne Schule kann ermöglichen, dass alle Kinder von früh bis nachmit- tags durchgängig in Videokonfe- renzen sitzen. Videokonferenzen sind anstrengender, als im selben Raum zusammenzusitzen. Den Takt der Unterrichtsstunden in Vi- deokonferenzen aufrecht zu erhal- ten, ist nicht sinnvoll und überfor- dert auch alle Seiten. Die Schüler über Wochen hinweg mit Aufga- benblättern oder Schulheften al- lein zu lassen, funktioniert aber ebenso wenig. Effektiver ist es, wenn die Schüler ihre Materialien selbständig bearbeiten, sich im Messenger darüber austauschen und regelmäßig ihre Lehrenden befragen und bestimmte Themen mit ihnen besprechen können. Auch bei der Art der Aufgaben- übermittlung arbeiten Schulen sehr unterschiedlich: Mancher- orts gibt es Aufgaben auf Papier per Post oder zur Abholung, an- dere Schulen arbeiten mit Clouds und Kommunikationstools. Wo se- hen Sie hier den richtigen Weg? Hier besteht nicht selten der Irr- tum, dass digital per se besser ist.
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