lausebande-05-2020

Blick auf die Lehrenden und die fehlenden Tools der Schule ein- geschlagen. Wir sind aktuell im Ausnahmezu- stand, fallen wir mit Öffnung der Schulen dann wieder in den ur- sprünglichen Zustand zurück oder lassen sich bereits Lehren für Ver- änderungen ziehen, wenn die Prä- senzlehre wieder zum Normalzu- stand wird? Diese Frage stellen wir uns selbst gerade in verschiedenen Projek- ten, in denen wir Schulen wäh- rend der aktuellen Phase beglei- ten. Bereits zu erkennen sind zwei Sachen. Zum einen haben bereits viel mehr Lehrende mit digitalen Bildungsmedien her- umexperimentiert. Das wird den Alltag prägen. Zum anderen ist für viele klar geworden, für wel- che Aufgaben digitale Techno- logien gut geeignet sind und für welche weniger gut. In Deutsch- land ging es bislang immer um Digitalisierung, das hat die Dis- kussion in eine falsche Richtung gelenkt. Es bedeutet im engeren Sinn, analoge Dinge ins Digita- le zu überführen – also das digi- tale Lehrbuch statt des gedruck- ten oder das Smartboard statt der Kreidetafel. Jetzt sehen wir aber, welche Lernkonzepte sich beson- ders gut digital umsetzen lassen. Da erstellen Schüler beispielswei- se Erklärvideos und laden diese in die Schulcloud. Es geht also nicht darum, analoge Dinge ins Digita- le zu überführen, sondern digita- le Bildungsmedien konzeptionell in den Unterricht einzubeziehen. Das sind neue Praktiken, die sich herausbilden. Welche Rolle sollten künftig klas- sische Schulbücher neben digita- len Lernplattformen und online abrufbarem Wissen spielen? Auch mit dieser Frage beschäfti- gen wir uns. Bleibt das Curricu- lum wie heute bestehen, bei dem Kompetenzen und Inhalte in ver- schiedenen Schulfächern festge- legt werden, die in einem Jahr er- reicht werden sollen, sind sowohl klassische als auch digitale Lehr- bücher hilfreich. Rückmeldungen der Schüler besagen, dass viele lieber mit dem digitalen Lehrbuch arbeiten, ebenso viele aber lieber mit dem klassischen Lehrbuch. Das Konzept vieler Schulen, zum klassischen Schulbuch für Zuhau- se das digitale Schulbuch für die Schule dazu zu erwerben, scheint ein guter Weg. Eine Erkenntnis ist allerdings, dass Schüler zum Ler- nen für Klausuren nach wie vor viel lieber Papier nutzen, wäh- rend bei Projektarbeiten durch das mögliche Zugreifen auf weite- re Informationen digitale Medien im Vordergrund stehen. Mit dem Digitalpakt werden bis zum Jahr 2025 insgesamt 5,5 Mrd. Euro für die digitale Transforma- tion von Schulen bereitgestellt. Wird das Geld richtig eingesetzt und halten Sie die Summe für aus- reichend? Diese Frage lässt sich auf drei We- gen beantworten. Der erste widmet sich der Infrastruktur, der zwei- te der konzeptionellen Ebene und der dritte dem Geldbeutel der El- tern. Wir wissen, dass die Schulen in Deutschland allgemein über kei- ne ausreichende Infrastruktur ver- fügen. Egal wieviel Geld geflossen wäre, es hätte nicht gereicht. Vie- le Schulen sind in der Infrastruk- tur auch mit Waschbecken und Sei- fe schlecht ausgestattet. Wenn ein Land nur einen kleinen Teil sei- ner Ausgaben ins Bildungssystem steckt, wird die Infrastruktur im- mer leiden. Wenn in einer Schu- le tausend Schüler digital lernen wollen, stellt dies erhebliche An- forderungen an die IT-Infrastruk- tur. Dabei endet es aber nicht, denn eine solche Struktur erfor- dert auch einen laufenden IT-Sup- port. Eine Firma mit tausend Mit- arbeitern, die alle an digitalen Geräten arbeiten, unterhält heute selbstverständlich eine mehrköp- fige IT-Abteilung. Das scheint in Deutschlands Schulen illusorisch. Wie groß die Herausforderung ist, wurde in den letzten Wochen bei den vielen erforderlichen Video- konferenzen deutlich. Die Univer- sitäten konnten hier mit eigenen Lösungen datenschutzkonform ar- beiten, während andere Zoom und weitere externe Angebote mit teils fraglichem Datenschutz nutzen mussten. Das ist gerade bei der Ar- beit mit Kindern ein Problem. Beim konzeptionellen Weg geht es dar- um, ob die Schule eine behutsa- me oder enthusiastische Digita- lisierung oder eine postdigitale Schule anstrebt. Hier entscheidet sich beispielsweise, ob das Geld in Geräte und eine Cloud oder an- dere Lernmittel investiert wird. Die infrastrukturelle Ebene ist da- bei deutlich kostspieliger als die konzeptionelle Ebene. Allerdings kann man auch nicht konzeptio- nell arbeiten, wenn man über kein WLAN oder andere digitale Ange- bote verfügt. Der dritte Weg ist Er- gebnis der sozialen Ungleichheit. Wir beobachten, dass vor allem die Schulen digital aufrüsten, bei de- nen Eltern die Hardware der Schü- ler finanzieren können. Das betrifft Gymnasien oder einzelne Schulen in einem sozioökonomisch privile- gierten Umfeld. Spezial :: Seite 121 »

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