lausebande-05-2020

Wenn Eltern über keinen Plan ver- fügen, sollte Homeschooling dann einfach der regulären Unterrichts- struktur folgen? Homeschooling stammt als Begriff aus den 1970er-Jahren, als es El- tern eigentlich darum ging, Kin- der außerhalb der Schule zu un- terrichten. Der Beweggrund war ein ganz anderer als das heute erzwungene Lernen daheim. In- sofern passt der Begriff auch gar nicht auf die aktuelle Situation. In der damaligen Diskussion ging es Eltern um eine Art von Ler- nen, das den Interessen der Kin- der entgegenkommt. Das Lernen sollte nicht einer starren Struk- tur von Fächern folgen. Wenn ein Kind also zwei Tage Mathema- tik lernen möchte, kann es ande- re Fächer danach wieder aufho- len. Die Forschung zu „connected learning“ (siehe https://clalliance. org/about-connected-learning/) legt diesen Ansatz auch für das ak- tuelle Homeschooling nahe. Jetzt ist die Zeit, die Stärken der Kin- der zu stärken. Wenn es nicht von der Schule vorgegeben wird, müs- sen Eltern auf keinen Fall zu Hau- se strikt den Unterricht nach Zei- ten und Fächern wie in der Schule umsetzen. Struktur ist wichtig – aber sie muss zur Situation pas- sen. Kinder aus Schulen, die mit Wochenplänen arbeiten, kom- men derzeit oft besser zurecht. Das kann eine Orientierung für Eltern sein, gemeinsam mit den Kindern die Tage und die gesamte Woche zu planen, dabei aber eine freie Aufteilung des Unterrichtsstoffs zuzulassen. Ist ein Tagespensum einmal schneller erfüllt, haben die Kinder früher Freizeit, dafür kann es an einem anderen Tag auch ein- mal länger dauern. Abschließend: Welchen Rat geben Sie Eltern, die daheim beim Home- schooling verzweifeln? Es klingt banal, aber Geduld ist wichtig. Es ist nicht immer ein- fach, geduldig mit den eigenen Kindern, mit den Schulen, mit der herumspinnenden Technik zu sein. Kontakt und Austausch kommen auch eine große Rol- le zu. In der Regel sind die El- tern mit der größten Unzufrieden- heit auch jene Eltern die von der Schule die wenigsten Informatio- nen erhalten haben. Sie könnten zuallererst Kontakt zur Lehrper- son oder Schulleitung aufneh- men. Sie können oft erklären, warum sie sich für diese oder ge- gen jene Medien entschieden ha- ben. Soziale Kontakte sind auch für die Kinder wichtig. Oft könn- ten Eltern sie mehr miteinander kommunizieren lassen. Es gibt in Deutschland eine große Diskussi- on um eine begrenzte Bildschirm- zeit für Kinder im Schulalter, oft wurde von einer halben Stunde pro Tag gesprochen. Ich halte die- se Diskussion für verfehlt, weil es darauf ankommt, wie ein Kind die Bildschirmzeit tatsächlich nutzt. Wenn ein Kind in zwei Stunden mit einem hochkomplexen Mal- programm ein Bild malt, dann kann man das nicht mit dem An- sehen eines zweistündigen Films vergleichen. Es geht nicht um die Zeit mit oder ohne Bildschirm, sondern um aktive oder passive Zeit. Zudem brauchen die Kinder jetzt ganz viel Bildschirmzeit, um mit ihren Freunden zu kommuni- zieren, die sie nicht sehen können. In einer vor wenigen Jahren in den USA durchgeführten Studie wur- de dem Smartphone die einstige Funktion der Shoppingmall zu- geschrieben. Früher trafen sich Freunde in der Shoppingmall und hingen miteinander herum, heu- te machen sie das in ihrem Gerät, die Kommunikation ist aber ähn- lich intensiv wie früher. Auch das kann manchen verzweifelten El- tern helfen: Sie sollten sich ak- tuell weniger Sorgen wegen der Bildschirmzeit machen. Die Ge- meinschaft motiviert oft auch stär- ker beim Lernen. Gerade Teenager nutzen ihr Smartphone mit Freun- deskreisen für einen Mix aus sozi- alem Kontakt und gemeinsamem Lernen. Wir danken für das Gespräch. Viele interessante Erkenntnisse aus dem bisherigen Homeschoo- ling in Corona-Zeiten hat Felici- tas Macgilchrist mit ihrem Team auf folgender Webseite zur Verfü- gung gestellt: basement.gei.de Spezial :: Seite 122

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