lausebande-05-2020
Aktuelles :: Seite 18 Anschalten von Maßnahmen je nach Ausbreitung des Virus und Kapazitäten des Gesundheitssystems erleben. Dabei hat sich ein Mix aus drei Maßnahmen herauskristallisiert, der in der Wissenschaft für wir- kungsvoll gehalten wird: 1. Erkennen durch Testen: Durch flächendecken- des Testen können schnell neue Infektionsherde er- kannt werden. Dann ist auch vorstellbar, Einschrän- kungen nicht bundesweit, sondern nur regional oder lokal anzuwenden. Hier wird auch darüber nachge- dacht, über Datenlösungen eine automatisierte Be- obachtung zu ermöglichen. Das Robert-Koch-Insti- tut stellt dazu eine Corona-Datenspende-App zur Verfügung, die mit Smartwatch oder Fitnessarm- band verbunden, flächendeckend Daten liefern und z.B. lokale Ereignisse mit signifikant vermehrter Fiebrigkeit und ähnliches ermitteln kann. 300.000 Personen beteiligen sich aktuell schon am Projekt, bei rund 2 Mio. Beteiligten erwartet man bereits gute Aussagen über diese Lösung, sozusagen als Früh- warnsystem. Interessierte googeln nach „Corona-Da- tenspende-App“ und können sich die App für bei- de gängigen Technologien auf der Webseite des RKI herunterladen. Im Ergebnis sollen eine Ausweitung der Tests und eine Datenlösung zum schnellen Er- kennen von Infektionsherden führen. 2. Schützen durch soziale Distanz und Mund-Na- sen-Schutz: Um Infektionen zu vermeiden, bleibt soziale Distanz das beste Mittel. Beim Ausatmen fällt das Virus nach kurzer Zeit auf den Boden und ist nicht mehr ansteckend. Der Mund-Nasen-Schutz hält vor allem Tröpfchen zurück, auch aus der Atem- luft. Hier müssen wir dringend kulturelle Probleme überwinden und den Mundschutz – wie das in Asi- en ein Selbstverständnis ist – als freundliche Geste den Mitmenschen gegenüber verstehen. Wer in ge- schlossenen Räumen oder Bereichen mit Nähe zu anderen Menschen keinen Mundschutz trägt, muss in Zeiten wie diesen als asozial und Egoist wahrge- nommen werden. Leider haben die Regierungen hier lange gezögert – im Interview mit Prof. Mölling in der vergangenen lausebande hatten wir bereits auf den Schal als möglichen Ersatz für nicht verfügba- ren Mundschutz hingewiesen. Aktuell wird durch Gesundheitsvertreter eine Debatte über Notwen- digkeit und Wirkung des Mund-Nasen-Schutzes ge- führt. Die Motivation scheint hier vor allem die Be- fürchtung zu sein, das bei zunehmender Pflicht zum Tragen durch die Bevölkerung ein Engpass im Ge- sundheitswesen entstehen kann. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme wird tatsächlich durch immer mehr Studien untermauert. 3. Eindämmen durch Tracking-App: Während die ersten beiden Maßnahmen dem allgemeinen Unter- binden und Erkennen von Infektionen dienen, soll eine dritte Maßnahme die gezielte Eindämmung möglich machen. Derzeit gibt es eine riesige Dis- kussion um die Entwicklung und Anwendung ei- ner Tracking-App. Hier geht es vor allem um Daten- schutzbedenken. Via App soll rückverfolgbar sein, mit wem Infizierte in der relevanten Zeit der Anste- ckung in Kontakt waren. Betroffene sollen automa- tisch eine Nachricht erhalten. Werden sie wieder- um positiv getestet, erhalten wiederum ihre rück- blickenden Kontakte eine Nachricht usw. – dadurch werden Infektionsereignisse rückwärts automati- siert erkennbar und vollständig erfassbar. Derzeit wird debattiert, ob anonymisierte Nutzerdaten zen- tral abrufbar oder dezentral auf den Handys gespei- chert sein sollen. Diese Technologie ermöglicht auf jeden Fall, Infektionsereignisse sehr schnell und ge- zielt durch Isolierung (Quarantäne) der Betroffenen einzudämmen. Zu unserem Vorsprung Mit Blick auf den Stand der Entwicklung, den Be- völkerungsreichtum und die Transparenz stand Deutschland zum Beginn der Lockerungen im April weltweit als absolutes Vorbild an der Spitze der Co- rona-Statistiken. Keines der aktuell betroffenen Län- der in Europa, Amerika etc. hat so schnell und früh eine Diagnostik aufgebaut und dadurch Infektions- ausbrüche bemerkt und eindämmen können. Auch deshalb fehlen hierzulande die Bilder überfüllter Intensivstationen, was dem Vergleich der Corona- Pandemie mit einer stärkeren Influenza-Saison im- mer wieder Auftrieb gibt. Inzwischen existieren Sta- tistiken für England, aber auch weitere Länder, die eine Übersterblichkeit durch das Coronavirus deut- lich sichtbar machen. Diese Analysen werden jetzt vermehrt ausgewertet und konnten auch nicht frü- her vorliegen, da zwischen Infektion und Tod eines Betroffenen etwa ein Monat Zeit vergeht. Nun zei- gen erste Daten, dass sich die Zahl der Todesfälle in betroffenen Ländern im Vergleich zu Vorjahren
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