lausebande-05-2020
Aktuelles :: Seite 19 teils verdoppelt hat – und zwar mit einer steil an- steigenden Kurve. Dann haben weltweit Distanzie- rungsmaßnahmen eingesetzt, deren Wirkung wir ebenso erst nach einigen Wochen sehen können. Hier besteht bei einigen Wissenschaftlern aktuell die Skepsis, dass das beobachtbar oft recht sorglo- se Verhalten der deutschen Bevölkerung nach Lo- ckerung der Maßnahmen den Vorsprung Deutsch- lands doch noch verspielen könnte. Es ist derzeit nicht absehbar, wie sich das Virus unter den verän- derten Rahmenbedingungen von Wärme und Son- ne verbreiten kann. Wer sich hier über internationa- le Daten informieren möchte, dem sei die Bericht- erstattung der New York Times empfohlen, die als seltenes Vorbild in der Welt der Medien ihre Bericht- erstattung rund um Corona kostenfrei im Web zur Verfügung stellt. Wer nach „New York Times Coro- na“ googelt, landet direkt auf der Seite. Zur Glaskugel Mit den zuvor dargestellten drei Maßnahmen kann eine Virus-Pandemie nachvollziehbar gebremst und gesteuert werden, nicht nur landesweit, son- dern auch regional und lokal. Wünschenswert für viele Menschen wäre dabei aber sicher ein Plan für Deutschland, der deutlich macht, welche Maßnah- men wann genau notwendig sind. Taiwan hat die Corona-Pandemie binnen weniger Tage mit einem Bruchteil der 124 Maßnahmen in den Griff bekom- men, die dort aufgrund von Vorerfahrungen für sol- che Situationen entwickelt und für andere Länder auch veröffentlicht wurden. Eine solche nachvoll- ziehbare Strategie wünschen sich auch hier immer mehr Menschen. Derzeit wird eher der Vorrang der Gesundheit be- tont. In der Gesellschaft scheinen aber Gesundheit und Wirtschaft einander zu bedingen – insofern wäre eine Strategie an der Zeit, die beides wieder in Einklang bringt. Zeiten der Kontaktbeschrän- kung sind mit einer Zunahme existenzieller Sor- gen, der Suizid- und Scheidungsraten, häuslicher Gewalt, aber auch Vereinsamung und Depression verbunden. Psychosoziale Probleme können lang- fristig ähnliche gesundheitliche Folgen aufwerfen wie die Pandemie an sich. Insofern braucht es Rah- menbedingungen, wie die Gesellschaft in solchen besonderen Situationen gesundheitliche und wirt- schaftliche Aspekte in Einklang bringt und diese je nach Entwicklung aufeinander abstimmt. Eine solche klare Orientierung könnte nicht nur künftige Maßnahmen besser erklären, sondern die Menschen auch jetzt positiv in ihrem Verhal- ten beeinflussen. Das ist nämlich nachhaltig not- wendig – und scheint bei vielen noch nicht ver- standen. Nach Verkündung der ersten Lockerun- gen herrschte in manchen Märkten und Geschäften im April nahezu unbeschwerter Trubel, als wäre alles überstanden. Dem ist nicht so. Mit der weite- ren Lockerung der Einschränkungen erwarten Ex- perten über den Sommer hinweg eine Verbreitung von SARS-Cov-2 im gesamten Land. Das könnte im Sommer weitgehend unbemerkt und ohne sichtba- re Infektionsherde geschehen – der Sommer gilt mit vielen Aufenthalten an frischer Luft und quasi natürlich verstärkter sozialer Distanz sowie reich- lich UV-Licht, das Viren schadet, allgemein nicht als die Zeit großartiger Infektionsereignisse. Hatten wir es bislang vorwiegend mit lokalen Infektions- herden etwa in Bayern oder Nordrhein-Westfalen zu tun, wird sich das Bild im kommenden Herbst und Winter ändern. Dann könnten Infektionsketten landesweit starten – was bei der zu erwartenden Durchseuchung der Gesellschaft auch völlig nor- mal sein muss. Genau dafür braucht es aber nach- vollziehbare und gut eingeübte Verhaltensregeln für die Menschen und eine Strategie von Experten und Politik, wie darauf lokal und gezielt reagiert wird, ohne wiederum das gesamte öffentliche Le- ben herunterzufahren. Je besser die zuvor darge- stellten Maßnahmen dann greifen, desto genauer können Entwicklungen bis auf die lokale Ebene er- kannt und vorhergesehen werden. Wissenschaftli- che Modelle sind inzwischen mit den vielen welt- weiten Erkenntnissen aus der Pandemie schon sehr fein justiert und können, sofern ausreichend Da- ten zur Verfügung stehen, Veränderungen selbst in lokalen und regionalen Umgebungen recht si- cher vorhersagen. Im Ergebnis ist also bereits jetzt klar, dass uns das Virus auch weiterhin begleiten wird und wir hier viel von erfolgreichen Ländern wie Taiwan, Hong- kong oder China lernen können. Wir widmen uns auf den folgenden Seiten einem Phänomen, das vor allem den Risikogruppen nachhaltig helfen kann: einem neuen Miteinander in einem nachbarschaft- lichen Engagement für Ältere und Schwächere in unserer Mitte.
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