Seite 44 - Lausebande

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Kolumne :: Seite 44
zu erzeugen, das mit schwarzen Knopfaugen trau-
rig und vereinsamt aus einer trostlosen Einöde zu
mir aufblickt. Automatisch und wie ferngesteuert
beginne ich zu krabbeln. Früher war das in ein paar
Minuten erledigt, aber mit fünfeinhalb Jahren ver-
fügt meine Kleine doch schon über weitaus mehr
kommunikative Fähigkeiten und kann alle Körper-
teile benennen. Das tut sie dann auch gnadenlos:
„Papa, bitte noch am linken Fuß, dann am rechten,
o ja, da zwischen den Zehen auch noch ...“. Nach 20
Minuten krabbeln ist sie friedlich eingeschnorchelt
– und ich bin hellwach. Verdammt, schon wieder.
Ich habe mir ja schon viele Taktiken überlegt, wie
ich da wieder heraus komme. Eine war, das Ru-
fen einfach zu ignorieren, sie wird ja irgendwann
schon wieder einschlafen. Aber jeder Mensch
wacht in der Nacht durchschnittlich 28 Mal auf,
kleine Kinder noch öfter. So oft kann ich gar nicht
von der Kommandobrücke runter, da erreichen wir
ja nie den Planeten Melmak. Also recherchierte ich
nach Robotern, die dann wenigstens das Streicheln
übernehmen können. Kein Witz – in Japan strei-
cheln Roboter sogar Bettlägerige, mit messbarem
Erfolg. Denen geht es dadurch auch besser. Aber
leider können die nur japanisch und sind noch
nicht in der Lage, auf Befehle wie „Zwischen Zehen
krabbi“ zu reagieren. Also ergebe ich mich doch
Nacht für Nacht in mein Schicksal. Ich habe mich
schon erkundigt, ob es einen entsprechenden Guin-
nes-Rekord gibt, von wegen beim Streicheln zehn
mal die Strecke bis zum Polarstern zurückgelegt.
Wo andere einen Tennisarm haben, da habe ich an
manchen Tagen einen Streichelarm, der überbean-
sprucht an der Seite rumbaumelt.
Dafür blicke ich nachts aber auch oft in das von
friedlichem Schlaf gezeichnete Gesicht meiner
Kleinen. Ich glaube, sie ist mit ihren Kuscheltieren
dann auch in ein ganz fernes Universum aufgebro-
chen, auf einen watteweichen Kuschelplaneten. Na
ja, vielleicht sehen wir uns ja gleich dort, denke ich
dann – und steige wieder auf die Kommandobrücke
der Enterprise und suche mit Spocky in den unend-
lichen Weiten nach diesem watteweichen Kuschel-
planeten. Kleine, ich komme!
Euer lausitzDADDY
Jede Nacht stiefele ich durch die Woh-
nung, von unserem Bett durch den Flur
bis zum Kinderzimmer und wieder zu-
rück. Jede Nacht, unabhängig von Vollmond oder
klirrender Kälte, seit Jahren. Hätten wir einen Na-
turpfad zwischen den Zimmern, wäre in der Flur-
mitte sicher eine metertiefe Furche eingegraben,
wie von einem Riesentreckerreifen. Nein, ich bin
kein Schlafwandler, ich bin nur das eigene Opfer
eines typisch väterlichen Erziehungsfehlers. Denn
Nacht für Nacht meldet sich – immer dann wenn
ich im Tiefschlaf mit Captain Kirk und Spocky die
Enterprise durch eine ferne Galaxie steuere – eine
Stimme von außerhalb dieses Universums. Erst
ganz leise, dann immer lauter. Schließlich muss
ich die Kommandobrücke verlassen und beame
mich pfeilschnell aus dem Bett. „Papa, ich will
nach vorn“, schallt es nun in der realen Welt durch
den Flur. Das ist mein Signal. Verschlafen trotte
ich durch den Flur und trage auf dem Rückweg
quasi zum Taxi umfunktioniert meine Kleine samt
Bettwäsche und fünfzig Kuscheltieren mit zurück
in unser Bett. Ich könnte natürlich gleich wieder
einschlafen, aber das Ritual ist ja noch lange nicht
abgeschlossen. Denn jetzt folgt Teil 2: Streicheln bis
der Schlaf kommt. „Papa, bitte krabbi“ – ich stelle
mich erst mal schlafend. „Ooch Papa, bitte, bitte
krabbi, seufzschluchz“ – das reicht schon, um in
meinem Inneren das Bild eines Ohrenrobbenbabys
lausitzDADDY
Innenansichten eines verzweifelten Vaters
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