lausebande-2021-06

Titelthema ‹ 55 wurde dieser Schlüssel deutschlandweit für 76 Pro- zent der Kinder nicht erreicht, in Ostdeutschland sogar für 93 Prozent. Bremen und Baden-Würt- temberg weisen einen besonders kindgerechten Personalschlüssel auf, während Sachsen neben Mecklenburg-Vorpommern Schlusslicht ist. Allerdings ist der Personalschlüssel eine rechne- rische Größe, von der noch Vorbereitungszeiten, Teamsitzungen, Elterngespräche, Urlaub und Fortbildungszeiten abgezogen werden müssen. Er gibt nicht an, wie viele Kinder zu jedem Zeitpunkt am Tag von einer Fachkraft betreut werden. Dies wiederum wird mit Hilfe der sogenannten Fach- kraft-Kind-Relation dargestellt, die sich tatsäch- lich nur auf die direkte pädagogische Arbeitszeit in den Gruppen bezieht. Und hier liegen die Werte nach Abzug der eben genannten Zeiten noch schlechter. Praktisch heißt das beispielsweise für Brandenburg: Laut Personalschlüssel stehen theo- retisch für elf Krippenkinder zwei Erzieher bereit, praktisch müssen sich zwei Erzieher aber um 16 Kinder kümmern. Fachkraft oder Hilfskraft? Mindestens ebenso wichtig wie die Zahl der Er- zieher ist deren Qualifikation. Sie hat maßgeb- lichen Einfluss darauf, wie gut Kita sein kann. In Deutschland führt üblicherweise eine dreijährige Berufsausbildung zur staatlich anerkannten Er- zieherIn. Die Ausbildung gilt unter Experten als sehr gut. Von den derzeit gut 23.000 Beschäftigten in Brandenburg sind knapp 19.600 ausgebildete Erzieher, 700 haben studiert. Klassische Studien- gänge, die auf die Arbeit im Kindergarten vorbe- reiten sind der Sozial-, Heil- oder Kindheitspäda- goge oder der Erziehungswissenschaftler. Auch bundesweit ist das Ausbildungsniveau der Erzieher hoch. 83 Prozent des pädagogischen Per- sonals besitzen einen einschlägigen Abschluss, 5,4 Prozent haben ein Studium abgeschlossen. In Ostdeutschland ist das Ausbildungsniveau noch etwas höher als in Westdeutschland. Quer- einsteiger spielen im Kitabereich bisher nur eine geringe Rolle. Das könnte sich mit dem zuneh- menden Personalmangel ändern. Welchen Ein- fluss das wiederum auf die Qualität der frühkind- lichen Bildung hat, muss sich erst noch zeigen. Der Anteil an Akademikern in Kindergärten ist mit 5 bis 10 Prozent sehr niedrig – sowohl im Vergleich zu anderen Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit wie Schulen (100 Prozent), Kinder- und Jugendhilfe (20-30 Prozent) und der Erzie- hungsberatung (60 bis 70 Prozent), als auch im internationalen Vergleich. In vielen Ländern liegt der Anteil der studierten Fachkräfte im hohen zweistelligen Bereich. Diese Länder haben er- kannt, dass die Arbeit mit Kleinkindern ebenso anspruchsvoll und wichtig ist wie die mit Kindern imSchulalter. Entsprechend viel Wert wird auf die Qualifizierung der Pädagogen gelegt. „Das heißt, in dieser Hinsicht sind die Kitas in Deutschland nach wie vor abgehängt. Der Satz, „Man braucht kein Universitätsdiplom, um Kinder wickeln zu können“, ist fatal und in keiner Weise zielfüh- rend“, kommentiert Prof. Dr. Thomas Rauschen- bach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts. Er verweist darauf, dass die Arbeit mit kleinen Kin- dern, die ihre Bedürfnisse noch nicht klar artiku- lieren können, ausgesprochen anspruchsvoll ist: „Ich habe noch kein überzeugendes Argument ge- hört, warum Erzieherinnen und Erzieher geringer qualifiziert sein sollten als Grundschullehrkräfte. In beiden Altersgruppen sind die Themen kom- plex: Inklusion, Spracherwerb, Motorik, musische Erziehung, Gruppenprozesse, naturwissenschaft- liche Phänomene, Digitalisierung, soziale und emotionale Entwicklung, Kooperation mit Eltern und, und, und.“ Eine gute Fachkraft bietet den Kindern im Kitalltag viele unterschiedliche Anregungen, sowohl draußen in der Natur als auch drinnen beim Kreativsein. Foto links: Designed by Freepik, Foto recht: Designed by master1305/ Freepik

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