8 › Aktuelles • „Ich merke das sofort, wenn er schlechte Laune hat. Es ist irgendwie so sehr in mir drin, ich sehe das schon an der Tür. Ich sehe auch sofort, wenn er getrunken hat. Also das habe ich sehr gut eingeübt.“ Eine Suchterkrankung führt in den Familien zu verschiedenen Regeln und Dynamiken. Innerhalb und außerhalb der Familie wird die Erkrankung tabuisiert, es wird nicht darüber gesprochen. Gefühle wie Traurigkeit, Wut und Angst werden nicht angesprochen: keiner spricht darüber, wie er/sie sich wirklich fühlt. Das führt unter Umständen zu einer dauerhaften emotionalen Verwirrung der Kinder. Schuld sind immer die anderen – Kinder lernen durch die mangelnde Zuverlässigkeit und Verantwortungsübernahme der Eltern, dass es besser ist, nichts und niemandem zu vertrauen. Auch das Vertrauen in die eigenen Wahrnehmungen leidet häufig. Die Kinder können verschiedene Rollen als Strategien im Umgang mit der elterlichen Erkrankung einnehmen. Während manche Kinder als „Familienheld/in“ bereits früh Verantwortung übernehmen und Aufgaben in der Haushaltsführung oder Geschwisterbetreuung mit abdecken, lenken andere als „Sündenbock“ durch auffälliges Fehlverhalten und „ungewollt sein“ vom Familiengeheimnis ab. Präventionsangebote in Kindergarten, Schule und Familie bieten Unterstützung für eine gesunde Entwicklung der Kinder. Beispiele hierfür sind „Papilio“, „Be smart don’t start“ und „Klasse 2000“. Kinder können dabei gezielt gestärkt werden durch verlässliche Beziehungen zu Vertrauenspersonen und Angebote, die Kreativität, Humor und Wertevermittlung unterstützen. Das Ziel sollte es sein, Lebenskompetenzen wie den Umgang mit Gefühlen, die Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit zur Stressbewältigung in der kindlichen Entwicklung zu fördern. Diese Faktoren führen zu einer Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegenüber psychischer Belastung [=Resilienz] und reduzieren langfristig die Wahrscheinlichkeit einer späteren Suchtentwicklung. In einer Familie aufwachsen, sollte für Kinder bedeuten, stabile Beziehungen und verlässliche Bezugspersonen kennen zu lernen, Geborgenheit und Unterstützung zu erleben und gemeinsam durch „dick und dünn“ zu gehen. Die Bedürfnisse der Kinder werden erkannt und entsprechend in den verschiedensten Situationen im Alltag berücksichtigt. Was passiert, wenn das System einer Familie durch die Suchterkrankung eines Elternteils ins Wanken gerät und Eltern diesen Aufgaben nicht mehr dauerhaft gerecht werden können? Je nachdem, ob die Erkrankung schubweise auftritt oder chronisch andauert, hat dies weitreichende Konsequenzen, nicht nur für die Gesundheit der Erwachsenen, sondern auch für deren berufliches und privates Umfeld. In besonderem Maße daher auch für die Kinder der betroffenen Personen. Etwa jedes sechste Kind im Land Brandenburg lebt in einer suchtbelasteten Familie. Es besteht ein bis zu 6-fach erhöhtes Risiko für diese Kinder, später selbst eine Suchterkrankung zu entwickeln. Ca. ein Drittel der Kinder aus einer suchtbelasteten Familie werden später selbst alkohol-, medikamenten-, drogenabhängig oder entwickeln eine Verhaltenssucht. Suchterkrankungen können in einem Teil der Familien von Generation zu Generation weitergegeben werden. Zudem treten diese auch meist in Zusammenhang mit anderen Stressoren und Belastungsfaktoren wie beispielsweise Trennung oder Scheidung auf. Deshalb ist es umso wichtiger, Kinder und Familien durch Präventions- und Hilfsangebote zu unterstützen. Denn das Zusammenspiel von Risiko- und Schutzfaktoren entscheidet letztlich darüber, ob sich ein Kind gesund und altersgerecht entwickeln kann und später frei von psychischen und suchtbezogenen Symptomen sein Leben gestalten kann. Beispielaussagen von Kindern aus suchtbelasteten Familien: • „Immer, wenn wir alleine waren, hat Mama geweint und mir alles erzählt, was Papa wieder gemacht hat. Ich wollte das doch gar nicht hören …“ • „Ich lade keine Klassenkameraden zu mir nach Hause ein. Ich will nicht, dass jemand sieht, wie meine Mutter ist.“ Wenn Eltern abhängig sind, leiden auch ihre Kinder
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