Als unsere Jüngste sich in der Schule noch nicht den „Zahlenraum bis 100“ (Zitat Mathelehrerin) erarbeitet hatte, sprachen wir über die Großeltern. Es kam die Frage auf, wann Oma geboren sei. Die Antwort klang für das Kind unvorstellbar weit weg. Sie riss die Augen auf und fragte nach kurzem Zögern: „Haben da noch die Dinosaurier gelebt?“ Wir bemühten uns dann um eine historisch-mathematische Einordnung von Oma und von T-Rex. Auch meinen Mann und mich verorten unsere Kinder vermutlich irgendwo zwischen Altertum und Mittelalter. Wenn wir ihnen von „früher“ erzählen, schütteln sie ungläubig den Kopf und halten das für Fake News: „Als ich so alt war wie du, gab es noch gar keine Handys.“ Das Argument ziehen wir bei der Debatte um die Handynutzung gern aus dem Familienalbum. Ich glaube, sie halten es für wahrscheinlicher, dass Oma zur Zeit der Dinos gelebt hat, als dass man ohne Handy überleben kann. Vielleicht sollte ich ihnen mal erzählen, dass ihre Großeltern als Kinder noch nicht mal ein Telefon hatten und als es endlich kam, hing es an einer Schnur fest. Auch die schwarzweiß-Fotos aus unseren Kindertagen wirken für unsere Kids, die mit Selfies und Filtern groß werden, ziemlich aus der Zeit gefallen. Wenngleich Kinder und ihre (Ur-)Großeltern oft viele Jahrzehnte und reichlich technische Neuerungen trennen, lässt sich das Miteinander der Generationen selten so harmonisch und herzlich erleben wie zwischen ihnen. Vielleicht liegt es an den Gemeinsamkeiten der U7 und der Ü70-Generation: Beide brauchen Unterstützung im Alltag und alles dauert etwas länger. Sowohl Kinder als auch Großeltern sind wunderbare Lehrmeister in Geduld. Sie lassen sich nur ungern in den zu eng getakteten Alltag berufstätiger Eltern pressen. Da wirkt die unerschütterliche Gelassenheit, die Oma und Opa an den Tag legen, beneidenswert. Sie erzählen Geschichten aus einer anderen Zeit, backen nach Rezepten, die längst vergilbt sind, und erinnern uns daran, dass nicht alles immer höher, schneller, weiter sein muss. Natürlich gibt es auch Reibereien. Wenn Oma den Kindern noch ein Eis kauft, obwohl der empfohlene Zuckerkonsum für den Tag längst überschritten ist, versuche ich mich vergeblich zu erinnern, ob sie in meiner Kindheit auch schon so freigiebig mit Süßkram war. Der Klassiker des Generationendisputs: „Früher hätte es das nicht gegeben.“ Das lässt sich auf fast alles anwenden – vom quengelnden Kind in der Gaststätte über stundenlanges Zocken bis zur Grundschülerin, die bauchfrei trägt. Und doch ist es ein großes Glück, dass es die Großeltern gibt. Sie sind Retter in der Not, wenn das Kind zum Training gebracht oder spontan aus der Kita abgeholt werden muss, wenn die Eltern mal ein Wochenende frei haben wollen. Doch natürlich sind sie mit ihrer Zeit, ihren Geschichten und ihrer Lebenserfahrung so viel mehr als Babysitter und Mahner. Wie viel sie uns mitgegeben haben, merke ich, seit ich selbst Mama bin. Ich sage leider genau die Sätze zu meinen Kindern, die ich schon bei meinen Eltern nicht gemocht habe und nutze die gleichen Flüche. Viel wichtiger aber ist: Ich sehe jetzt, was unsere Eltern einst geleistet haben. Den gedeckten Tisch, den vollen Kühlschrank, die gebügelten Sachen, den Sommerurlaub am Meer, den großzügigen Weihnachtsmann – all das war für mich als Kind naturgegeben. Den Aufwand, die Mühe und die Liebe dahinter kann ich erst jetzt richtig wertschätzen, wo ich all das selbst Tag für Tag leiste. Daher geht an dieser Stelle ein Hoch auf alle Omas und Opas, auf die Tick-Tack-Omas und Bonusopas. Lausitz-Mummy: Familienbande
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