Seite 22 - lausebande-09-2012

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und reichhaltigerer Ernährung liegen könnte. Ein
weiterer, wenn auch unschöner Grund, könnte das
zunehmende Übergewicht bereits im Kindesalter
sein. Durch Übergewicht wird vom Körper in den
Fettzellen mehr Protein hergestellt. Das wiederum
regt einen früheren Reifungsprozess an. Das sind
aber, wie bereits erwähnt, derzeit nur Vermutun-
gen. Ein fundierter Beweis für diese und ähnliche
Thesen konnte bis zum jetzigen Zeitpunkt noch
nicht erbracht werden.
Abgeschlossen ist die Pubertät, je nach Eintrittsal-
ter, meist zwischen dem 17. und 18. Lebensjahr.
Die Vorpubertät
Wie der Name schon sagt, beschreibt die Vorpu-
bertät den zeitlichen Abschnitt unmittelbar vor
der eigentlichen Pubertät. Genauer definiert die
österreichische Psychologin Lotte Schenk-Danzi-
ger diese Phase: „Als Vorpubertät bezeichnet man
die Zeitspanne zwischen dem ersten Auftreten
der sekundären Geschlechtsmerkmale und dem
ersten Funktionieren der Geschlechtsorgane (Me-
narche beim Mädchen, erster Samenerguß beim
Knaben), das übrigens in den meisten Fällen noch
nicht gleichbedeutend mit Zeugungsfähigkeit ist“
(Schenk-Danziger 1988: 321)
Es gibt keine klare Grenze zwischen der Vorpuber-
tät und der eigentlichen Pubertät, der Übergang ist
fließend. Bei Mädchen beginnt auch die Vorpuber-
tät in etwa zwei Jahre früher als bei Jungen. Wäh-
rend neunjährige Jungs also fleißig Sammelkarten
tauschen, träumen gleichaltrige Mädchen schon
dem ersten Boygroupsänger hinterher.
Das pubertierende Gehirn oder:
Jetzt wird umgebaut
Das sich der Körper äußerlich und auch innerlich
zu Zeiten der Pubertät verändert, ist den Meisten
klar. Aber auch und vor allem das Gehirn unter-
liegt während dessen starken Veränderungen. Vor
Jahren nahmen Wissenschaftler an, dass sich die,
vor allem emotionalen Turbulenzen auf die Pro-
duktion verschiedener Hormone, speziell der Se-
xualhormone, zurückführen lassen. Diese Theorie
ist aber ebenso veraltet wie unvollständig. Dass die
Eltern auf einmal der Feind im Kinderzimmer sind,
Lehrer nur noch doof und zwischen himmelhoch
jauchzend und zu Tode betrübt nur Sekunden lie-
gen, liegt vor allem daran, dass das Gehirn in der
Pubertät einmal komplett umgebaut wird.
Vereinfacht gesagt, handelt es sich beim Gehirn
um ein Netzwerk verschiedener Zellen. Dieses
Netzwerk entsteht folgender Maßen: Je nachdem,
welcher Anforderung sich das Kind gegenüber
sieht, werden Nervenzellen neu verbunden. Diese
Verbindungsstellen sind die sogenannten Synap-
sen. Diese Synapsen verknüpfen viele verschiede-
ne Nervenzellen im Gehirn miteinander und so ent-
steht nach und nach ein komplexes Netzwerk. Man
kann sie sich quasi als eine Art Autobahn im Ge-
hirn vorstellen. Auf ihnen werden alle möglichen
Informationen übertragen. Außerdem werden In-
formationen mit Hilfe von Synapsen moduliert und
gespeichert. Anders als bei einer Autobahn zeigen
häufig genutzte Verbindungen keine Verschleiß-
erscheinungen – im Gegenteil: Sie verstärken sich
bei vermehrter Nutzung. Das bedeutet, dass sich
die Anzahl der Synapsen an diesen Stellen stei-
gert. Wissenschaftler bezeichnen diesen Vorgang
als Bahnung. Um bei der Autobahnmetapher zu
bleiben: Einige Strecken der Autobahn werden
um mehrere Spuren erweitert und das Tempolimit
wird auf ihnen aufgehoben, so können die Infor-
mationen mit sehr hoher Geschwindigkeit über die
Autobahn, also durch das Gehirn, fahren. Ab der
frühesten Kindheit werden also solche Netzwerke
im Gehirn gebildet. Darin wird alles von Erfahrun-
gen und Gelerntem über Erinnerungen bis hin zu
Vorlieben verarbeitet und abgespeichert. Im Baby-
alter funktioniert der Aufbau der Netzwerke auto-
matisiert. Im späteren Kindesalter kommen zu den
elementaren Funktionen, wie dem Sprechen oder
Laufen, die eigenen Vorlieben hinzu. Das heißt, es
bilden sich quasi Netzwerke für all die Sachen, die
man gerne macht. Diese Verbindungen sind dann
die Vorfahrtstraßen im Gehirn. Die dort gespei-
cherten Informationen können schneller und un-
gehinderter abgerufen und genutzt werden.
Dieser Prozess der Synapsenbildung ist bis zur
Pubertät relativ stetig. Ab Beginn der Pubertät be-
schleunigt er sich enorm, nur um kurz darauf zum
Erliegen zu kommen. Alle Nervenverbindungen,
die nicht genutzt werden, werden stillgelegt. Dieser
Vorgang umfasst das gesamte jugendliche Gehirn,
jedoch nicht an allen Stellen gleichzeitig. Stück für