Seite 51 - lausebande_09-2013

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Titelthema :: Seite 51
gangsstufe, ausreichend Kita-
plätze – warum produzieren wir
im Bundesvergleich dennoch mit
die meisten Bildungsverlierer
ohne Schulabschluss?
Es zählt auch Qualität. Der Os-
ten hat viel mehr Kitaplätze als
der Westen. Die Betreuungsrela-
tion und damit die Qualität sind
im Osten aber schlechter. Bran-
denburg ist da übrigens in ei-
nem deutlichen Aufholprozess.
In Brandenburg und insgesamt
in den östlichen Bundesländern
ist aber auch das Thema der In-
tegrationskraft der Schulsysteme
gerade für die Förderschüler sehr
schlecht. Viele Kinder gehen auf
die alten Sonderschulen und er-
reichen in der Regel keinen Ab-
schluss. Wenn wie in Branden-
burg und im Osten üblich ein
System mit vielen Förderschülern
existiert, dann haben wir fast au-
tomatisch viele Bildungsverlierer.
Dafür haben wir doch die Migran-
ten nicht ...
.. stimmt, aber Bildungserfolg
hat auch viel mit dem Sozialsta-
tus zu tun. Ärmere Bundesländer
haben mehr Probleme in ihrem
Bildungswesen.
Ein großes Projekt im Land Bran-
denburg ist „Inklusion – Schule
für alle“, ein Vorhaben, das in der
Realität an den Lehrern zu schei-
tern scheint. Warum?
Das liegt auf der Hand. Die Poli-
tik neigt dazu, zuerst die Struk-
turveränderung zu machen,
also Inklusion oder längeres ge-
meinsames Lernen oder Gemein-
schaftsschulen per Gesetz zu be-
schließen. Erst im Nachhinein
wird versucht, die Lehrkräfte
auf die wachsende Heterogeni-
tät vorzubereiten. Das ist falsch
und eine der zentralen Schwach-
stellen der Bildungspolitik in
Deutschland. Erst die Kompetenz,
dann die Struktur – das muss die
Politik erkennen. Erst muss ich
die Lehrer ausbilden, damit sie
mit der neuen Struktur umgehen
können, und dann kann ich die
Veränderung machen.
Wie wird unser Bildungssystem
nun besser, was muss zuerst ver-
ändert werden?
Wir hatten viele Jahrzehnte
Schwierigkeiten mit unserem Bil-
dungssystem. In den 60ern die
deutsche Bildungskatastrophe,
dann kam eine Aufbruchsstim-
mung. Es ist viel versucht wor-
den, aber wir hatten jahrzehn-
telang einen Ideologiekampf. In
der Politik wurde von Landtags-
wahl zu Landtagswahl und von
Gesetzesnovelle zu Gesetzesno-
velle aus dem Bauch heraus ar-
gumentiert und verändert. Diese
Zeit des ständigen Hin und Her
hat deutscher Bildungspolitik
sehr geschadet. In den vergange-
nen zehn Jahren haben wir dank
PISA plötzlich Fakten und in der
Bildungspolitik auch große Fort-
schritte gemacht. Bildungspoli-
tiker konnten sich daran orien-
tieren und nach diesen Fakten
handeln, also das Richtige tun.
Die CDU löst sich von der Haupt-
schule, die SPD akzeptiert, dass
das Gymnasium eine Zukunft hat,
alle machen individuelle Förde-
rung, und durch diesen Pragma-
tismus ist viel geschehen. Ich be-
fürchte allerdings, dass wir mit
der aktuellen Politik der Bundes-
länder jetzt wieder in ein Zeitalter
der Intransparenz zurück fallen.
Wir brauchen also hauptsächlich
mehr Transparenz. Aber wer muss
da den ersten Schritt machen?
Nach der Bundestagswahl wer-
den wir folgende Situation ha-
ben: Die Länder brauchen
deutlich mehr Geld für ihre Bil-
dungssysteme. Die Krippenplätze
müssen ausgebaut werden, auch
das kostet Geld. Im Osten ist es
sicher die Betreuung und Quali-
tät, im Westen ist es die Zahl der
Plätze. Die Ganztagsschulen müs-
sen ausgebaut werden, Inklusion
muss verwirklicht werden. Zudem
haben wir einen Ansturm auf Stu-
dienplätze, das kostet auch sehr
viel Geld. Die Länder sind nicht
in der Lage, diese neuen Projekte
finanziell zu stemmen. Der Bund
wird aber den Ländern zusätzli-
ches Geld nicht bedingungslos
geben. Ich erhoffe mir, dass es zu
der Vereinbarung kommt: „Geld
gegen Transparenz“.
Danke für das Interview
Das ausführliche Interview
in ca. doppelter Länge lesen Sie
in unserem Schul-Spezial unter
www.lausebande.de
(oder scannen Sie einfach
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