lbande_09ebook
Titelthema :: Seite 60 Dabei ist der deutsche Föderalismus, der sich auch im Bildungssystem widerspiegelt, Fluch und Segen zugleich. Er sorgt dafür, dass manche Schüler zwölf Jahre (z.B. in Sachsen) bis zum Abitur brauchen, an- dere 13 Jahre. Auch das gemeinsame Lernen variiert von Bundesland zu Bundesland. In Sachsen müssen sich Familien bereits nach der vierten Klasse für eine weiterführende Schule entscheiden, in Bran- denburg lernen die Kinder bis zur sechsten Klasse gemeinsam. Spätestens, wenn ein Kind im Laufe seiner Schulzeit in ein anderes Bundesland zieht, fällt ihm der Bildungsföderalismus auf die Füße. Andererseits kann jede Schule selbst festlegen, nach welchem Konzept sie arbeitet und mit welchen Methoden. Es gibt einige grobe Vorgaben, wie den Bildungsplan, doch prinzipiell haben die Schulen relativ viel Freiheiten. Eine ausführliche Beschreibung der deutschen Bildungsland- schaft mit einem Exkurs über das Brandenburger Schulsys- tem findet sich in der lauseban- de-Ausgabe September 2013. Leider nutzen die wenigsten Schulen diese Frei- heit. Noch immer wird zu viel Wissen vermittelt und zu wenig Bildung und Methoden-Kompetenz. Und obwohl es eine Vielzahl an didaktischen Me- thoden gibt, um den Unterricht zu gestalten, fin- den etwa drei Viertel des Unterrichts als Frontalun- terricht statt. Frontalunterricht – Pro & Contra An kaum einem pädagogischen Konzept scheiden sich die Bildungsgeister so sehr wie am Frontal- unterricht. Sein Ruf ist vorsichtig formuliert nicht der beste. Wer das Wort Frontalunterricht hört, hat vermutlich den Lehrer vor Augen, der mit stren- gem Blick vor der Klasse steht und vor 30 Schülern doziert, die vor ihm sitzen, zuhören, mitschreiben aber wenig selbst aktiv werden. Dabei ist der Fron- talunterricht eine der ältesten und verbreitetsten Unterrichtsmethoden nicht nur an deutschen Schu- len. Belastbare Zahlen gibt es nicht, aber verschie- dene Befragungen und Schätzungen lassen darauf schließen, dass an deutschen Schulen zwischen 60 und 80 Prozent des Unterrichts als Frontalun- terricht bzw. direkter Unterricht stattfinden. Das heißt aber nicht, dass in vier von fünf Unterrichts- stunden der Lehrer vor der Klasse steht und doziert. Frontalunterricht ist aus wissenschaftlicher Sicht erst einmal nur eine von mehreren Sozialformen im Schulunterricht. Weitere Formen sind Partner- arbeit, Gruppenarbeit, Einzelarbeit oder das freie Unterrichtsgespräch. Er unterscheidet sich zudem von offenen Unterrichtsformen wie dem Stationen- lernen, der Projektarbeit oder dem Freilernen. We- sentliches Merkmal des Frontalunterrichts ist die dominierende Rolle des Lehrers. Er entscheidet, was gelernt wird und mit welcher Methode. Er bestimmt Verlauf und Organisation des Unterrichts sehr stark. Er leitet an, überwacht und kontrolliert die Lernfort- schritte der Schüler. Die Kommunikation verläuft v.a. zwischen Lehrer und Schüler, weniger unter den Schülern. In der Regel ist der Blick der Schüler nach vorn (frontal) auf den Lehrer gerichtet. Zunehmend setzt sich die Meinung durch, dass auch Frontalunterricht vielseitig sein kann, wenn verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Der Lehrer kann einen Vortrag halten, Diskussio- nen leiten oder er kann ein Rollenspiel anleiten. In jedem Fall – und das zeichnet Frontalunterricht aus – bleibt beim Lehrer die Rolle des Regisseurs. Frontalunterricht ist dann gut, wenn er als eine von vielen Methoden angewandt wird, wenn er sich mit Formen des selbständigen Erarbeitens von Wissen abwechselt, wenn er die vorhandene Vielfalt an di- daktischen Methoden und Medien nutzt, wenn er – wie jeder Unterricht – gut vorbereitet wird. Da Fron- talunterricht mit einer starken Rolle des Lehrers vor allem lernschwache Schüler besser mitnimmt und sich für die Vermittlung von neuem Lernstoff beson- ders eignet, hat er trotz aller Kritik noch immer seine Berechtigung im Klassenzimmer. Wie gut oder schlecht er für den einzelnen Schüler ist, gilt auch in der Forschung als umstritten. Einig ist man sich aber: Frontalunterricht hat in bestimmten Lernsi- tuationen ebenso seine Berechtigung wie Formen des selbständigen Lernens. Wir fassen die wichtigsten Ar- gumente der Befürworter und Gegner zusammen. Pro: Frontalunterricht ist effektiv und beliebt • Klassischer Frontalunterricht ist sehr effektiv und ist daher zeit- und kostensparend. Es ist weniger aufwendig, eine Aufgabe für die Klasse vorzubereiten als Arbeitsaufträge für mehrere Gruppen.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTcxMjA2