lausebande-09-2020

Aktuelles :: Seite 24 Eine besonders wichtige Erkenntnis mit Auswirkung auf die Schutzmaßnahmen datiert aus dem Frühsom- mer. Nachdem früh bekannt war, dass SARS-CoV-2 über die Atemwege aufgenommen wird und sich zuerst im Rachenbereich vermehrt und dann im späteren Krankheitsverlauf in der Lunge, wurde die Betroffenheit der Nasenschleimhäute erst sehr spät erkannt. Inzwischen ist klar, dass sich das Virus frühzeitig auch im Nasenbereich vermehrt. Deshalb macht das Tragen einer Alltagsmaske nur Sinn, wenn diese Nase UND Mund bedeckt. Viele Menschen be- decken lediglich den Mund und machen den Schutz somit unwirksam, da das Virus dann über die Nase ungehindert verbreitet wird. Eine weitere Erkenntnis aus dem Sommer ist die sehr ungleichmäßige Verbreitung durch Infizierte. Während bei bekannten Epidemien Infizierte meist recht gleichmäßig eine Anzahl weiterer Personen an- stecken, verhält sich das auch aufgrund der bereits eingeführten Schutzmaßnahmen bei SARS-CoV-2 ganz anders. Hier infizieren durchschnittlich gerech- net neun von zehn Personen keine weitere Person, eine Person infiziert dann aber gleich zehn weitere Personen. Die Verbreitung vollzieht sich nicht gleich- mäßig, sondern in Clustern. Je stärker sich Personen in verschiedenen Clustern bewegen, desto stärker kann dieser Effekt ausfallen. Cluster können dabei Vereine, Freundeskreise, Familien, Partys oder auch Schulklassen sein. Geschlossene Räume, geringer Abstand, eine Kontaktdauer Gesicht zu Gesicht von mehr als 10-15 Minuten, schlechte Lüftung und der Verzicht auf eine Maske können zu einer Massen- übertragung führen – Experten sprechen dabei von Superspreading-Ereignissen – wie das am Beispiel von Familienfeiern, Chorvereinen oder der Arbeit in Schlachtbetrieben bereits geschehen ist. Dabei muss kein intensives Gespräch erfolgen, da sich das Virus durch die normale Atmung mittels der beschriebenen Aerosole im Raum verbreiten und andere anstecken kann. Für Kitas und Schulen lässt das für Vernunft- begabte klare Schlussfolgerungen zu, auf die wir im letzten Abschnitt verweisen. Die Rolle von Kindern Mit Blick auf die Öffnung von Schulen und Kitas wird noch immer die Rolle von Kindern diskutiert – einerseits ihre Rolle als Überträger, andererseits ihre Gefährdung. Hier liegen Licht und Schatten dicht be- einander. Was die Übertragung von SARS-CoV-2 durch Kinder anbelangt, sorgen viele Medienbeiträge leider immer wieder für Verwirrung. Vor allem die Interpretatio- nen von Studien mit Daten aus Zeiten kurz nach dem Lockdown, in der Kinder einen stark veränderten All- tag in einem eingeschränkten sozialen Umfeld erleb- ten und ohnehin kaum Virus vorhanden war, wur- den zuletzt mit Schlagzeilen wie „Kinder doch nicht so infektiös“ in diversen Medien aufgebauscht. Wis- senschaftliche Erkenntnisse und die Vernunft lassen Anderes vermuten: Verschiedene Studien weisen da- rauf hin, dass die Viruslast bei Kindern nicht gerin- ger als die bei Erwachsenen ist. Das bedeutet, Kinder haben wahrscheinlichinfolge einer Infektion eine genauso hohe Viruskonzentration im Rachen bzw. später in der Lunge wie Erwachsene. Zudem weisen inzwischen Studien aus Schweden, den USA und Israel zu Infektionsfällen bzw. Ausbrüchen in einem „normalen“ Umfeld aktiver Kinder und Jugendlicher darauf hin, dass auch unter ihnen Infektionsaus- brüche entstehen und sie die Infektion untereinan- der weitergeben. In einem Pfadfindercamp in den USA haben sich in drei Vorbereitungstagen mit teils heftigem Singen fast die Hälfte der 600 Teilnehmer und Betreuer mit SARS-Cov-2 infiziert, in einer isra- elischen Schule waren es immerhin 15 %, als wegen Hitze einen Tag lang teilweise auf die Maskenpflicht verzichtet wurde. In Schweden, das auf einen Lock- down verzichtete und in dem während der gesam- COVID-19-Lagebericht vom 22.08.2020 5 5 Abbildung 3 zeigt den Verlauf über die an das RKI übermittelten COVID-19-Fälle pro 100.000 Einwohner der jeweils letzten 7 Tage in den Bundesländern und in Deutschland und verdeutlicht, dass der Inzidenzanstieg d r letzten Wochen in viele vor allem westlichen Bundeslä dern zu beobachten ist, besonders deutlich und auf hohem Niveau in Hessen und Bayern. Abbildung 3: Darstellung der übermittelten COVID-19-Fälle/100.000 Einwohner über 7 Tage in Deutschland nach Bundesland (22.08.2020, 0:00 Uhr). In B esländ rn mit vergle chsweise niedrigen Bevölkerung zahlen kön en auch schon kleinere Anstiege der Fallzahlen zu einer deutlichen Erhöhung der 7-Tage-Inzidenz führen. Klinische Aspekte Geschätzte 206.600 Personen sind von ihrer COVID-19-Infektion genesen. Ein genaues Datum der Genesung liegt für die meisten Fälle nicht vor. Daher wird ein Algorithmus zur Schätzung der Anzahl der Genesenen verwendet. Insgesamt sind 9.267 Personen in Deutschland (4,0 % aller bestätigten Fälle) im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung verstorben (s. Tabelle 2). Es handelt sich um 5.132 (55%) Männer und 4.131 (45%) Frauen, für 4 Personen ist das Geschlecht unbekannt. Der Altersdurchschnitt der verstorbenen Fälle liegt bei 81 Jahren (Median: 82 Jahre). Tabelle 2: An das RKI übermittelte COVID-19-Todesfälle nach Altersgruppe und Geschlecht (Angaben verfügbar für 9.263 Todesfälle; 22.08.2020, 0:00 Uhr). Geschlecht Altersgruppe (in Jahren) 0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80-89 90-99 100+ männlich 2 7 17 58 243 659 1.403 2.152 585 6 weiblich 1 3 6 22 89 235 680 1.946 1.103 46 gesamt 1 2 10 23 80 332 894 2.083 4.098 1.688 52 Betreuung, Unterbringung und Tätigkeit in Einrichtungen An das RKI übermittelte CoViD-19-Todesfälle nach Altersgruppe und Geschlecht, (Angaben verfügbar für 9.263 Todesfälle; 22.08.2020, 0:00 Uhr). Quelle: Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit

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