lausebande-09-2020
Ratgeber :: Seite 91 Kinderängste lösen bei Eltern häufig Rat-und Hilflosigkeit aus. Viele Eltern fragen sich dann, ob sie et- was falsch gemacht haben und ver- spüren schnell ein schlechtes Ge- wissen oder geben sich die Schuld an den Ängsten ihrer Kinder. Kinder durchleben jedoch entwick- lungsbedingt Ängste. Diese Ängste sind notwendig und gehören zum Leben dazu. In der Evolution hat die Angst eine wichtige Funktion als Schutzme- chanismus, der die Sinne schärft und ein der Gefahrensituation an- gemessenes Verhalten einleitet. Diese Aufgabe kann die Angst je- doch nur erfüllen, wenn weder zu viel Angst das Handeln blockiert, noch zu wenig Angst die Gefahren und Risiken ausblendet. Zu den entwicklungsbedingten Ängsten gehört die sogenann- te „Acht-Monats-Angst oder das Fremdeln“. Wurde in der früheren Erziehungshaltung oft von „Ver- wöhnen“ gesprochen, weiß man heute, dass dieses Verhalten eine gesunde Bindung des Säuglings an seine Bindungsperson zeigt. Im ersten bis dritten Lebensjahr zeigen sich dann Trennungsängs- te, die besonders bei der Erkun- dung der Umwelt in Ambivalenz mit der Entdeckerfreude stehen. Die Eltern als sicherer Hafen sind dabei wichtig, das Kind zu stärken und zu neuen Entdeckungen zu er- mutigen. Im dritten bis sechsten Lebensjahr stehen soziale Ängste im Vorder- grund. Das Kind erwirbt in dieser Zeit Fähigkeiten, sich in sozialen Gruppen zu verhalten und zu be- stehen. Diese Fähigkeit ist eine wichtige Voraussetzung, um schu- lisch erfolgreich zu werden. In der späten Kindheit, etwa vom 7.-12. Lebensjahr, hat das Kind so viele Kompetenzen erworben, dass sich eine ruhigere Zeit anschließt. Das Kind sammelt seine Kräfte, um die turbulente Zeit der Pubertät zu bestehen. In der Pubertät stehen die zentralen Fragen der Identität im Zentrum der Angst. „Wer bin ich, wo komme ich her, warum bin ich auf dieser Welt?“ Sind wir dann in der weiteren Ent- wicklung unserer Persönlichkeit frei von Ängsten? Nein – natürlich nicht; Fragen nach dem Bestehen einer eigenen Familie, wirtschaft- liche Ängste, Gesundheitsfragen und im hohen Alter Ängste vor dem Alleinsein, Versorgt sein und letzt- endlich vor dem Tod werden uns begleiten. Ängste gehören zu unserem Leben dazu. Sie zeigen uns an, wenn ein neuer Lebensabschnitt gemeistert werden will. Literatur: „Ängste machen Kinder stark“ Rogge, Jan-Uwe „Warum Kinder Ängste haben“ Armbrust, Joachim „Kinderängste-Elternängste“ Adriaenssens, Peter Inken Tonn, Kreative Kindertherapeutin in der Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Jugendhilfe Cottbus gGmbH „Du musst doch keine Angst haben!“ Wie entwicklungsbedingte Ängste uns voranbringen www.familienhandbuch.de „Bindung ist das gefühlsmäßige Band, das eine Person zu einer anderen spezifischen Person anknüpft und das sie über Raum und Zeit miteinander verbindet.“ (John Bowlby)
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTcxMjA2