lausebande-09-2022

Kolumne ‹ 121 Ich bin Mama. Ich finde, allein dieser Fakt qualifiziert mich dafür, eine Kolumne zu schreiben. Meiner Meinung nach könnte jede Mama und natürlich auch jeder Papa ein ganzes Buch mit witzigen, haarsträubenden, surrealen, peinlichen, großartigen Momenten aus dem Alltag mit Kindern füllen. Nun habe ich noch dazu das Glück, gleich drei kleine Goldstücke zu Hause zu haben und der schreibenden Zunft anzugehören. Das sollte genug Potenzial für diese Kolumne bieten. Und so folge ichmit dieser Erstausgabe demLausitz-Daddy, der vor gut einem Jahr den Stift geworfen hat. Passend zum Titelthema dieser Ausgabe könnte ich umfassend aus dem Alltag dreier Geschwister im Kita- und Grundschulalter plaudern. Ich bin täglich aufs Neue baff erstaunt, wie es die drei schaffen, innerhalb von Sekunden zwischen Zwist und Zweisamkeit zu switchen. Gingen sie sich eben noch an die Gurgel – und das meine ich jetzt leider wörtlich – so liegen sie sich kurz darauf in den Armen und überlegen, was sie als nächstes spielen. Hier hätte ich gern ein paar Gene von meinen Kindern. Ich bin so nachtragend, dass ich den Streitauslöser meist schon wieder vergessen habe, wenn ich endlich zur Aussöhnung bereit bin. Noch viel faszinierender finde ich aber die Auslöser für den Geschwisterstreit. Während es bei meinem Mann und mir immer um überlebenswichtige Themen wie Haushalt und Kindererziehung geht, sind die Streitthemen unserer Kinder – nun ja banal. Aber das sehen die Kinder naturgemäß ganz anders. Da kann die Frage, wer die CD einlegen darf oder wer die neue Luftmatratze zuerst benutzen darf, zur höchsten Eskalationsstufe führen. Schwierig wird es auch dann, wenn wir Eltern als Schiedsrichter oder Streitschlichter angestellt werden: „Mama“, beschwert sich die Jüngste über den großen Bruder: „Der hat zu mir gesagt, ich bin klein.“ Manchmal wünschte ich mir etwas mehr Gelassenheit: Dann würde ich mit ausreichend Abstand den Kindern beim Streiten zuhören und mich über ihre kostenfreie Comedy-Vorstellung freuen. Manch Dialog ist so absurd, dass ihn jeder Gagschreiber mit „zu unrealistisch“ ablehnen würde. Die Absurdität dieser Konflikte wurde uns so richtig bewusst, als unsere Mittlere ihre Freundin zu Besuch hatte – ein Einzelkind. Als wir zum Abendbrot in der Küche saßen, eskalierte die bis dato ungewöhnlich entspannte Stimmung. Der Auslöser: Der Frischkäse war alle. Nicht das war das Problem, sondern dass wir eine neue Packung öffnen mussten und nun ein bitterböser Streit darüber entbrannte, welches Kind die Folie von der Frischkäsepackung abziehen durfte. Der verbale Schlagabtausch ging reihum: Kind 1: „Du durftest schon beim letzten Mal.“ Kind 2: „Na und, dafür durftest du am Wochenende die neue Erdbeermarmelade öffnen.“ Kind 3: „Ich durfte noch nie den Frischkäse zuerst öffnen.“ Unser Gastkind unterbrach die Debatte mit einem völlig entsetzten: „Streitet ihr euch gerade echt, wer zuerst den Frischkäse aufmachen darf ?“ Mein Mann und ich, wir mussten herzlich lachen. Unsere Kinder hielten kurz irritiert inne, bevor sie weiterdiskutierten. Ich kann mich heute nicht mehr erinnern, wer am Ende die Packung öffnen durfte. In den Tiefen meines großen Mutterherzens weiß ich, dass das zweitrangig ist und dass die Kinder mit jedem Streit ein bisschen Demokratie erlernen. Denn am Ende möchte ich ja keine kleinen Despoten oder Ja-Sager großziehen, sondern Menschen, die Argumente austauschen können. Und in 20 Jahren geht es dann bei der Debatte hoffentlich nicht mehr um Frischkäsepackungen, sondern vielleicht um Lehrermangel oder Bildungsgerechtigkeit. Manchmal freue ichmich insgeheimsogar über das kindliche Wetteifern. Nämlich immer dann, wenn es um die Zuneigung zu uns Eltern geht. Hoch im Kurs stehen dabei: Wer hat den dicksten Knutscher von Mama bekommen? Wen hat Papa länger durch dieWohnung „fliegen“ lassen?Wer darf heute beim Geschichtevorlesen neben Mama sitzen? Wer hat das schönste Bild zumVatertag gemalt? Da ichweiß, dass diese Liebesbekundungen schneller vorbei sein werden, als mir lieb ist, genieße ich sie ganz besonders – Streit hin oder her. Lausitz-Mummy: Glück hoch drei

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