lausebande-09-2022

Titelthema ‹ 97 Wie können Eltern eine positive Geschwisterbeziehung ihrer Kinder fördern? Vergleiche sind absolute Beziehungskiller für Geschwister. Stattdessen sollten Eltern jedes Kind so nehmen, wie es ist und ihm das geben, was es braucht. Ein Kind braucht vielleicht mehr Kuscheleinheiten, das andere mehr Unterstützung in der Schule. Kinder sind verschieden. Diese Verschiedenheit zuzulassen, ist wichtig. Streiten Zwillinge anders? Zwillinge haben zueinander eine viel engere Beziehung als „normale“ Geschwister. Durch die direkteren Vergleichsmöglichkeiten streiten sie aber auch häufiger und heftiger. Aber bei Zwillingen ist nicht nur das Streiten intensiver, sondern auch die Zuneigung. Sie können eine sehr eingeschworene Gemeinschaft bilden. Und wie ist es bei Halb- oder Stiefgeschwistern? In Patchwork-Familien wiederum hängt die Entwicklung der Geschwisterbeziehung unter anderem vom Alter der Kinder ab. Bei kleineren Kindern ist das Zueinanderfinden vermeintlich leichter. Ältere Kinder ab der Pubertät tun sich schon schwerer, gewohnte Positionen in der Familie aufzugeben. Für sie ist es ein großer Bruch, wenn sie plötzlich nicht mehr allein sind oder nicht mehr die Älteste. Hier sind die Erwachsenen gefragt. Sie müssen den Kindern einen starken Ausgleich anbieten und darauf achten, allen Kindern gerecht zu werden. Ist das Thema Streit unter Geschwistern oft Thema in Ihrer Erziehungsberatung? Sowohl Eltern als auch Jugendliche wenden sich sehr häufig mit diesem Thema an uns. Bei den Jugendlichen liegt das Problem oft im Neid auf das vermeintlich bessere oder erfolgreichere Geschwisterkind. Eltern jüngerer Kinder haben andere Streitthemen, da empfehlen wir Gelassenheit. Natürlich müssen sie auch Haltung zeigen und klar Grenzen aufzeigen, aber in den meisten Fällen würde schon etwas mehr Gelassenheit helfen. Ich nenne Ihnen mal drei klassische Streitthemen zwischen Kindern. Wie lässt sich der Konflikt jeweils am besten auflösen? Erstens: Der zweijährige Bruder hat den Bausteinturm seiner fünfjährigen Schwester umgeworfen. Hier sollten Sie die große Schwester trösten, sie in den Arm nehmen und vielleicht sagen: „Mensch, das ist aber doof.“ Den Bruder können Sie in dem Moment bewusst kurz nicht beachten und die ganze Aufmerksamkeit der Schwester schenken. Dann können Sie eine Lösung anbieten: „Wollen wir den Turm wieder aufbauen? Ich helfe dir und dein Bruder hilft auch mit, ok?“ Was falsch wäre: Die Situation zu dramatisieren oder den Bruder zu bestrafen, indemman ihm beispielsweise beim Mittag den Nachtisch verbietet. Strafen und auch Schreien sind in der Erziehung generell wenig hilfreich und helfen – wenn überhaupt – höchstens kurzfristig. Die zwölfjährige Schwester ist sauer, weil ihre zehnjährige Schwester bis 19 Uhr draußen bleiben darf, was sie mit zehn noch nicht durfte. Auch sie braucht Trost. Hier könnten Sie sagen: „Das ist echt ärgerlich für dich und ich verstehe deinen Ärger, aber ich kann das jetzt nicht mehr rückgängig machen. Wir waren damals vielleicht zu streng und haben in den letzten zwei Jahren auch dazu gelernt.“ Bieten Sie der älteren Tochter einen Ausgleich an und fragen: „Kann ich jetzt irgendetwas für dich tun?Waswürde dir guttun? Wollen wir vielleicht etwas spielen oder ein Eis essen gehen?“ Wichtig ist, sie in dem Moment aus der Frustsituation rauszuholen. Zwei Geschwister (5 und 8) streiten sich um ein Spielzeug, das jeder von ihnen genau jetzt benutzen will. Sie könnten die beiden fragen: „Habt ihr eine Idee, wie ihr das lösen könnt?“ Wenn sie keinen Vorschlag haben, dann bieten Sie eine Lösung an: Die Kinder könnten eine Münze werfen, wer zuerst mit demSpielzeug spielen darf. Und dannwird eine Eieruhr gestellt und nach einer festgelegten Zeit darf das andere Kind das Spielzeug haben. Und wenn nach demMünzwurf das Kind, das nicht zuerst mit dem Spielzeug spielen darf, immer noch frustriert ist? Dann sollten Sie es aus der Situation rausholen und ihm eine Alternative anbieten. Das kann ein anderes Spiel sein oder Sie brauchen gerade in der Küche Hilfe beimKochen. Wenn ich aber gar keine Zeit habe, ummit dem frustrierten Kind zu spielen oder zu kochen? Natürlich ist das im Familienalltag manchmal schwer umzusetzen, aber aus meiner Erfahrung aus den Beratungsgesprächen und als Vater kann ich sagen: Es lohnt sich, diese Zeit zu investieren und sich ein paar Minuten zu nehmen, um das Kind in seinem Frust aufzufangen. Meistens haben sich die Kinder dann ohnehin schnell beruhigt und ihren Streit schon wieder vergessen. Vielen Dank für das Gespräch.

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