lausebande-09-2024

50 › Titelthema sie dem Lernfortschritt anzupassen. Das kann eine Lehrerin für knapp 30 Kinder einfach nicht leisten – zumindest nicht in der Zeit, die ein Computerprogramm dafür braucht. Dass die Digitalisierung nicht die Lösung aller Problemlagen an unseren Schulen sein wird, dass sie sogar neue Probleme schaffen könnte, zeigt ein Blick ins Ausland. Digitale Vorreiter wie Schweden und Dänemark haben jetzt einen Gang zurückgeschaltet. Das jeweils zuständige Ministerium hat empfohlen, die Nutzung von Smartphones während der Schulzeit komplett zu unterbinden und den Einsatz digitaler Medien im Unterricht genau zu prüfen. Sie sollten nur dann zum Einsatz kommen, wenn sie gegenüber analogen Medien einen Vorteil bringen. Schweden will zumindest an den Grundschulen wieder klassische Lehrbücher aus Papier anschaffen. In einer Studie des Karolinska Instituts in Stockholm kam heraus: Je mehr eine Schule ihren Unterricht auf digitale Medien stützt, desto schlechter ist die Leistung der Kinder, insbesondere in den Fächern Mathe und Deutsch. Digitale Medien wird es auch weiterhin an Schulen geben – in Schweden und Dänemark genauso wie in Deutschland. Damit diese einen Mehrwert für Lehrende und Lernende haben, braucht es gute Konzepte und Programme, die tatsächlich einen Mehrwert im Vergleich zum analogen Arbeiten haben. Einen Text kann ich auch auf Papier lesen, ebenso einen Lückentext ausfüllen. Wenn ich aber ein Plakat zum Vortrag am Computer gestalte oder ein analog gelesenes Buch mit Hilfe von Power Point präsentiere, lerne ich den Umgang mit Hard- und Software und kann mehr Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Nicht zuletzt sollte Schule spätestens ab den weiterführenden Klassen Kindern beibringen, wie sie digitale Medien richtig nutzen, wie sie im Internet relevante und zuverlässige Quellen finden, wie sie Nachrichten von Fake News unterscheiden können und was die Vor- und Nachteile von KIProgrammen wie ChatGPT sind. Kann Schule durch Digitalisierung gerechter werden und soziale Ungleichheiten mindern? Es gibt erste Vorschläge aus der Wissenschaft, computerbasierte Intelligenztests für die Bildungsempfehlung heranzuziehen – eben weil man weiß, dass Lehrkräfte nicht immer ganz objektiv bewerten. Die UneS-Studie hat untersucht, wie es „Unerwartbar erfolgreichen Schulen“ (UneS) gelingt, trotz schwieriger Lage digitale Kompetenzen zu vermitteln. Die wichtigsten Ergebnisse: Sie sind erfolgreich, weil die Lehrkräfte strukturiert durch den Unterricht führen und dafür digitale Prozesse nutzen und im Sinne einer Vobildfunktion selbst digitale Medien nutzen. Zweitens fördern sie die Kinder individuell entsprechend ihres Lernstands und nutzen dafür Apps, Programme und ähnliche Tools. Drittens schaffen sie eine Kultur des Miteinanders und bieten zusätzliche Unterstützungsangebote an. Vieles davon lässt sich auch auf andere Lernbereiche abseits der digitalen Medienkompetenz übertragen und zeigt, wo Schulen ansetzen können. Vielleicht ist es aber auch so, wie der Soziologe Hans-Peter Blossfeld im Interview mit der ZEIT sagt: „Wenn ein Problem so hartnäckig fortlebt, dürfte die Lösung komplizierter sein, als Politik, Öffentlichkeit, aber auch Wissenschaft meinen.“ Schnelle und einfache Lösungen sind nicht in Sicht. Anpacken sollten wir es trotzdem – um unserer Kinder und ihrer Zukunft willen. Lehre oder Leere? Das Problem der Chancenungleichheit ist nicht neu, aber seit einigen Jahren kommt ein zweites nicht minder großes hinzu und es sorgt schon jetzt dafür, dass alle Kinder – unabhängig vom familiären Hintergrund – schlechtere Chancen auf Bildung haben: der Lehrkräftemangel. Wir haben in der lausebande schon häufig darüber berichtet, zuletzt in der Ausgabe September 2023. Zudem haben wir in der Ausgabe März 2024 über die Chancen und Herausforderungen in der frühkindlichen Bildung berichtet. Daher beschränken wir uns an dieser Stelle auf aktuelle Zahlen, die das Ausmaß des Mangels verdeutlichen und auf neu ergriffene Maßnahmen, mit denen mehr Personal für Schulen in Brandenburg und Sachsen gewonnen werden soll. Zum Titelthema „Lehre oder Leere?“ in der lausebande 09/2023 Zum Titelthema „Pisa in der Kita?“ in der lausebande 03/2024

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