lausebande-09-2024

Titelthema ‹ 61 das gekonnt hätte, dann sind wir wieder bei dem bereits erwähnten Problem: Es gibt einfach nicht genug Lehrkräfte am Markt. Und die, die es gibt, meiden eher Schulen mit hohen sozialen Herausforderungen. Eines der zentralen Probleme, wenn wir über soziale Ungleichheiten im Bildungsbereich reden, ist, dass wir uns zu stark auf Schule fokussieren. Schule soll alle Probleme lösen. Dabei wird übersehen, wie sich die sozialen Ungleichheiten in Städten in den vergangenen Jahren verschärft haben, wie die Schere zwischen Arm und Reich gesamtgesellschaftlich und innerhalb von Städten auseinander geht. Durch die Fluchtzuwanderung wurde das noch verschärft, weil viele Geflüchtete in Plattenbauten untergebracht werden – also genau dort, wo sich Armut ohnehin schon konzentriert. Gesellschaftliche Ursachen von Ungleichheit zu lösen kann ohne Veränderungen in anderen Politikfeldern von Wohnungsbaupolitik bis Steuerpolitik nicht gelingen. Inwiefern kann eine stärkere Einbindung digitaler Medien die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland verringern? Auf einer rein theoretischen Ebene bieten gute digitale Lernprogramme die Chance, Kinder dort abzuholen, wo sie stehen. Das kann eine Lehrerin mit 26 Kindern mit sehr heterogenem Lernstand gar nicht leisten. Gleichzeitig ist Pädagogik Beziehungsarbeit, dazu gehört die Motivation der Lernenden. Mit solchen Plattformen kann ich interessierte Kinder gut abholen. Wenig motivierte Kinder hole ich damit trotzdem nicht ab. Da ist noch viel Luft nach oben, gerade bei der Frage, wie setze ich solche Medien systematisch ein. Ein weiterer Aspekt sind die neuen Möglichkeiten von Hybridunterricht: Für ein Pilotprojekt im Kreis Görlitz haben sich drei Gymnasien zusammengetan, um trotz Lehrkräftemangel und geringen Schülerzahlen Leistungskurse in Naturwissenschaften in allen drei Schulen anbieten zu können. Hier wäre es wichtig, dass es nicht bei dem Pilotprojekt bleibt, sondern dass es flächendeckend umgesetzt wird. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland sowohl bei der Digitalisierung als auch bei der Chancengerechtigkeit und zuletzt auch bei der Vermittlung basaler Kompetenzen unterdurchschnittlich ab. Die Spitzenreiter finden wir u.a. in Skandinavien und Kanada. Wissen Sie, was diese Länder anders machen? Auffällig ist, dass keines dieser Länder die Kinder so früh trennt wie Deutschland, sondern erst mit 15 oder 16 Jahren. Auch Themen wie Inklusion werden dort ganz anders angegangen, weil alle Schulformen mit dieser Herausforderung umgehen müssen, während sich in Deutschland die Gymnasien bei diesem Thema naturgemäß ausnehmen. Gibt es abschließend noch einen positiven Aspekt, der Ihnen zum Thema Bildung einfällt? Das Einhorn unter den Bundesländern ist Hamburg. Da ist in den vergangenen 20 Jahren viel passiert. Sie haben angefangen, die Leistungen der Kinder konsequent zu diagnostizieren, Schwachstellen im eigenen System zu erkennen und auszubessern. Es wurde das Recht auf Ganztagsbetreuung bis zum 14. Lebensjahr eingeführt. All diese Maßnahmen münden mittlerweile in besseren Leistungen bei den Bildungsstudien. Hamburg zeigt, dass es gehen kann. Es wäre toll, wenn sich hier andere Länder anschließen. Vielen Dank für das Gespräch. ifo-Studie: Ungleiche Bildungschancen: Ein Blick in die Bundesländer, Mai 2024 Nationaler Bildungsbericht: Bildung in Deutschland 2024 Faire Notenvergabe? Studie der Unis Zürich und Bern, Juli 2024. Weiterlesen? Wir haben drei aktuelle Studien zu den Themen Bildungs(un)gerechtigkeit herausgesucht und über die QR-Codes verlinkt:

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