Titelthema ‹ 63 Stattdessen lobt sie sich für ein Vertretungsbudget, das hinten und vorne nicht ausreicht und Honorarkräfte einstellt, die teilweise noch nicht einmal qualifiziert sind. Nun haben wir aber ein großes Haushaltsdefizit. Können Sie ein Stück weit verstehen, dass die Landesregierung sagt, das Geld ist einfach nicht da? In den Bildungsausgaben ist Brandenburg leider noch nie in der Poleposition gewesen, im Gegenteil: Wir waren und sind immer unterdurchschnittlich. Aber wir wundern uns dann am Ende über die Lernergebnisse von Schülerinnen und Schülern. Das ist also ein Problem, dass uns schon mindestens 20 Jahre umtreibt und jetzt setzen sie noch einen oben drauf. Das ist mehr als nur ärgerlich, weil wir die Zukunft der Kinder wegsparen. Auch die Chancengleichheit für die Kinder im Flächenland geben wir gerade auf. Was wir erleben, ist eine kreative Mangelverwaltung. Hier setzt sich die Haushaltspolitik durch, und die sagt, wir wollen nur so und so viel Geld ausgeben für Bildung, und dann war’s das. Das ist ein fiskalisches Durchregieren und nichts weiter. Das Land hat kein Konzept, was die Bildungspolitik betrifft. Wenn ich weniger Geld habe, dann muss ich Prioritäten setzen. Und diese Prioritätensetzung findet im und für den Bildungsbereich nicht statt. Ich glaube, man hätte sich gemeinsam hinsetzen und überlegen können, wie gehen wir mit der Situation um. Das hat die Landesregierung nicht gemacht, sondern sie hat eine einseitige Maßnahme ergriffen. In einem Jahr greift der vom Bund eingeführte Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, zunächst ab Klasse 1. Sehen Sie Brandenburg da gut aufgestellt? Auch hier gibt es bisher kein Konzept – weder ein personelles, noch ein räumliches oder ein inhaltliches. Wir müssen aber klären, wie wir die zusätzliche Nachfrage durch den Rechtsanspruch umsetzen wollen. Dazu kommen viele weitere Fragen, zum Beispiel: Wie koordinieren wir den Schülerverkehr dazu? Wie ist es mit der Essensversorgung? Die Landesregierung schiebt die Verantwortung dafür wieder an die Träger ab. Da beginnt schon das eigentliche Dilemma, denn das sind bei den Horten meist die Kommunen oder freie Träger und nicht die Schulen. In Brandenburg sollen die Schulen mit freien Trägern Verträge schließen. Andere Bundesländer sind andere Wege gegangen, die Horte in Thüringen und in Sachsen-Anhalt sind in Landesträgerschaft. Und dann kommt in Brandenburg noch die Situation hinzu, dass der Bundesgesetzgeber von einer verlässlichen Ganztagsgrundschule von 1 bis 4 ausgeht, aber die Grundschule bei uns bis Klasse 6 geht. Lassen Sie uns zum Schluss noch auf die Kitas schauen. Während wir an den Schulen deutlich mehr Kinder haben, werden es an vielen Kitas weniger. Drohen da Entlassungen? Wir haben auch in Brandenburg die Situation, dass es in bestimmten Regionen Überhänge gibt an Kita-Plätzen. In anderen gibt es nach wie vor noch Wartelisten. Allerdings bekomme ich das Personal aufgrund der teils großen Entfernungen nicht automatisch dorthin, wo eine Warteliste ist. Generell glaube ich, dass wir die Situation nutzen sollten, um über Qualitätsverbesserungen zu reden. Beim Betreuungsschlüssel gehört Brandenburg zu den Schlusslichtern in Deutschland. Daher sollte man die Chance jetzt nutzen und die Gruppen kleiner machen. Man braucht auch in den Kitas eine Vertretungsreserve. Und man muss die mittelbaren pädagogischen Tätigkeiten anerkennen. Auch eine Erzieherin braucht Vor- und Nachbereitungszeit, braucht Zeit für Elternarbeit. Wenn wir das umsetzen, dann haben wir keinen Überhang mehr. Wie sagt denn die Landesregierung zu diesen Vorschlägen? Die Landesregierung macht die übliche VogelStrauß-Politik: Kopf in den Sand stecken und warten, dass der Sturm vorbeigeht. Daher gründen wir gerade ein Aktionsbündnis, um den Druck zu erhöhen. Es ist ja nicht so, dass der Haushalt besser wird, sondern wir werden auch in den nächsten Jahren strukturelle Haushaltsdefizite haben. Und die spannende Frage wird sein, wie gelingt es in den nächsten Jahren die Kita-Finanzierung in trockene Tücher zu bringen. Die vorhandenen Ressourcen müssen mindestens erhalten bleiben, eigentlich bräuchten wir noch mehr. Das Bündnis werden wir voraussichtlich im September in der Öffentlichkeit präsentieren. Natürlich wollen wir das auch mit Eltern gemeinsam machen, ich denke beispielsweis an die Initiative Kita-Kollaps. Wir brauchen weiter den Druck auf die Landesregierung, weil die Auseinandersetzungen im Kita-Bereich nicht einfacher werden. Danke für das Interview.
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