lausebande-10-2018

Titelthema :: Seite 58 sagte meine Oma zu mir: „Tut mir leid, da ist besetzt, ich bin mit mei- ner Enkelin hier.“ Das war schon erschreckend. Ein anderes Mal hat sie, die Musiklehrerin war und für die Musik so viel bedeutete, ihre selbst aufgenommene CD nicht mehr erkannt. Gab es auch schöne Momente, die Ihnen in Erinnerung geblie- ben sind? Meiner Oma tat wie vie- len älteren Menschen, die lange alleine leben, körperliche Nähe gut und davon gibt es im Pflege- heim aus bekannten Gründen na- türlich nicht besonders viel. Daher habe ich ihr bei meinen Besuchen gerne die Hand gehalten, sie ge- streichelt oder umarmt. Ich konn- te spüren wie gut ihr diese kleinen Berührungen taten. In Erinnerung geblieben ist mir auch unsere letz- te Begegnung. Das war kurz vor Ostern, ich hatte ihr einen Scho- kohasen mitgebracht. Leider hat- te ich an dem Tag wenig Zeit und habe zu ihr gesagt: „Wenn ich das nächste Mal komme, nehme ich mir mehr Zeit und dann fahre ich dich im Rollstuhl spazieren.“ Sie erwiderte: „Ja, das machen wir.“ Darauf nahm sie den Hasen, strei- chelte ihn und sagte zu ihm: „Und du kommst auch mit.“ So war mei- ne Oma, sie hat immer an alle ge- dacht. Sie sind seit 2012 AFI-Bot- schafterin. Wie kamen Sie zu diesem Ehrenamt? Ich habe drei Kinder, einen tollen Job und führe ein schönes Leben. Da- her wollte ich gern auch anderen etwas Gutes tun. Von meinen Kol- legen engagieren sich viele Men- schen für Kinder. Das finde ich sehr wichtig, dennoch dachte ich mir: Mensch, wer macht eigent- lich etwas für die Alten, die in ih- rem langen Leben so viel geleistet haben und im Alter auf Unterstüt- zung angewiesen sind? Und so bin ich mit meiner damaligen Agentin wirklich auf die Suche gegangen nach einem passenden Ehrenamt. Da meine Oma an Alzheimer ge- storben ist und mich diese Krank- heit ab diesem Zeitpunkt sehr be- schäftigt hat, habe ich mich an die Alzheimer Forschung Initiative ge- wendet und meine Unterstützung angeboten. Die waren total über- rascht. Es hat sofort ‚gefunkt’ und so kamen wir zusammen. Ich weiß natürlich, dass Fotos mit alten Menschen nicht die gleichen Reak- tionen hervorrufen wie Bilder mit Kindern. Umso wichtiger fand ich es, hier ganz bewusst einen Kon- trapunkt zu setzen und den Fokus ein wenig zu justieren. Warum? Was gibt Ihnen diese Tä- tigkeit? Mich berührt dieses The- ma, es trifft mich sprichwörtlich ins Herz. Das Gefühl, die betroffe- nen Menschen und vor allem auch ihre betroffenen Angehörigen in einem gewissen Rahmen zu unter- stützen und für diese Menschen ein Lautsprecher zu sein, tut gut. Und es ist auch ein krasser Gegen- satz zu meiner Tätigkeit als Mo- deratorin im Sport, wo ich mit ge- sunden, sehr fitten Menschen zu tun habe. Insofern war es für mich durchaus bedrückend, als ich bei meiner ersten Veranstaltung für die AFI vor einem „ergrauten Pu- blikum“ sprach, denen die Angst vor der Krankheit teilweise ins Ge- sicht geschrieben stand. Zugleich hat mich ihr Humor begeistert, mit dem sie der Krankheit begeg- net sind. Wie alt waren Sie, als Ihre Oma an Alzheimer erkrankte und wor- an haben Sie das zuerst gemerkt? Das lässt sich nicht genau datie- ren, weil es schleichend passierte. Eine gewisse Vergesslichkeit im Alter ist ja normal. Ich wohnte zu dem Zeitpunkt, als meine Oma er- krankte, schon nicht mehr zu Hau- se. Dadurch habe ich es zunächst von meiner Mutter erfahren. Bei ei- nem meiner Besuche ist mir dann selbst die Schwere der Erkran- kung deutlich geworden. Ich war mit meiner Oma in einem Restau- rant essen. Zwischendurch musste ich zur Toilette. Als ich zurückkam, ARD-Fernsehmoderatorin Okka Gundel engagiert sich seit 2012 als Bot- schafterin für die Alzheimer Forschung Initiative, sie hält Vorträge und schreibt einen Blog. Ihre Oma starb imAlter von 88 Jahren an Alzheimer. Im Gespräch erinnert sie sich an besondere Momente mit ihr und erzählt, wie die Krankheit für ihre Kinder ein Stück weit Normalität geworden ist. Für Kinder ist Alzheimer so verrückt wie eine Pippi-Langstrumpf-Geschichte © Alzheimer Forschung Initiative e.V.

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