lausebande-10-2018

Titelthema :: Seite 59 www.lausebande.de Für viele Menschen ist es sehr schwer, wenn Angehörige an Alz- heimer erkranken. Wie ging es Ih- nen und Ihrer Familie damit? Ich hatte ja als Studentin mein ei- genes Leben weg von zu Hause. Das war eine Zeit des Aufbruchs. Trotz der engen Beziehung zu mei- ner Oma ging mir das ganze nicht so nah, wie meiner Mutter. Sie hat sich lange gegen die Krankheit ge- wehrt, wollte das nicht wahrha- ben. Immer wieder hat sie zu mei- ner Oma gesagt: „Mensch Mama, das musst du doch noch wissen.“ Erst als meine Mutter die Krankheit akzeptieren konnte und sich klar gemacht hat, dass Oma nichts da- für kann, und sie nicht immer wie- der korrigiert hat, wurde es für sie und auch für meine Oma leichter. Das Schwere ist, dass der Mensch trotz Alzheimer noch lange aus- sieht wie immer. Die Wesensver- änderung geht nicht einher mit ei- ner Veränderung des Äußeren und das ist schwer zu begreifen und zu akzeptieren. Als Ihre Oma erkrankte, studierten Sie bereits. Inwiefern blieb da den- noch Raum für gemeinsame Zeit mit Ihrer Oma? Ich habe sie immer im Heim besucht, wenn ich meine Eltern zu Hause in Ostfriesland be- sucht habe. Ich habe auf dem Hin- weg und dann noch mal auf dem Rückweg einen Halt bei ihr ge- macht. Ein einziges Mal habe ich es nicht geschafft, auf dem Rück- weg bei ihr zu halten – das war das oben beschriebene Osterfest. Kurz danach ist sie gestorben, das be- reue ich bis heute. Die Entscheidung, Ihre Oma ins Pflegeheim zu geben, war für Ihre Familie sicher nicht einfach. Nein, diese Entscheidung war nicht nur nicht einfach, sondern sehr belas- tend. Niemand wünscht sich ein Leben im Heim. Das ist eine trost- lose Perspektive, denn es ist ja so- zusagen die Endstation. Als meine Oma nicht länger allein zu Hause leben konnte, war meine Mutter berufstätig, insofern war die Pfle- ge zu Hause ohnehin keine Opti- on. Meine Mutter hat alles für mei- ne Oma getan, aber sie hat auch immer gesagt: Pflegen kann ich sie nicht. Dafür habe ich größtes Verständnis. Dennoch hatten wir ein schlechtes Gewissen, die Ent- scheidung für ein Pflegeheim war eine große Belastung für die gan- ze Familie. Trotzdem war sie rich- tig, denn auch das eigene Leben soll und muss ja weitergehen. Wir haben am Ende ein gutes Heim ge- funden und hatten durchaus den Eindruck, dass meine Oma dort zu- frieden war. Viele Angehörige hadern ebenfalls mit der Entscheidung: Muss Opa ins Pflegeheim oder schaffen wir es noch zu Hause? Was raten Sie in solchen Fällen? Wer es sich zutraut und gerne möchte, der sollte seine Angehörigen unbedingt so lan- ge wie möglich zu Hause pflegen, dann kann das sicher eine schöne Erfahrung sein. Sobald man aber Zweifel hat oder an seine Gren- zen stößt, ist es richtig und wich- tig, sich externe Hilfe zu holen. Da ist ein gewisser Egoismus legitim, schließlich muss das eigene Leben auch weiter gehen. Vielleicht zum Vergleich eine – wenn auch we- niger schwere und bedeutsame – Situation aus meiner eigenen Er- fahrung als Mutter: Nachdem es zwischen mir und meiner ältesten Tochter immer wieder Konflikte um das Üben für Mathe gab und es re- gelmäßig in einem riesigen Streit endete, der natürlich auch nicht spurlos an den anderen Famili- enmitgliedern vorbeiging, haben wir eine Nachhilfe organisiert. Das läuft jetzt durch die Hilfe von au- ßen viel entspannter. Für Kinder ist es oft schwer zu ver- stehen, wenn Oma oder Opa auf- grund einer Demenzerkrankung plötzlich anders wird. Wie kön- nen Eltern ihre Kinder im Umgang mit erkrankten Großeltern unter- stützen? Wichtig ist ein offener, ehrlicher Umgang mit der Krank- heit. Man sollte den Kindern er- klären, was mit Oma oder Opa los ist und nichts verheimlichen. Ich finde es hilfreich, einen Vergleich zu nutzen: So wie ein Kind täglich neue Sachen lernt, also z.B. laufen, sprechen, später rechnen und le- sen, so verlernen Demenzkranke mit der Zeit immer mehr Fähigkei- ten. Sie werden sozusagen wieder zum Kleinkind. Man sollte die Kin- der auch für die Krankheit sensibi- lisieren. Ihnen so weit möglich klar machen, dass Opa krank ist und nichts für sein Verhalten kann. Dass sie ihn nicht belehren oder korrigieren sollten. Dass sie Bilder für ihn malen oder ihm Geschich- ten erzählen können. Sie müssen aber auch wissen, dass an Reakti- onen u.U. nicht mehr viel zurück- kommt. Wie reagieren Ihre Kinder eigent- lich auf Ihr Ehrenamt? Alzheimer ist in meiner Familie durch die Botschafter-Tätigkeit na- türlich sehr präsent. Meine Kinder zeigen großes Interesse daran. Für sie ist das ein bisschen [...]. [online weiterlesen]

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