Im Grunde kam der Herbstanfang nicht wirklich überraschend. Ganz im Gegenteil: Er steht seit Jahresbeginn in unserem großen Familienkalender in der Küche, er ist seit dem Umblättern auf den September gut sichtbar und tatsächlich fällt er, seit ich mich erinnern kann, in jedem Jahr auf den 22. September. Trotzdem hat er mich in diesem Jahr kalt erwischt – und das im doppelten Sinne. Denn der kalendarische Jahreszeitenwechsel ging einher mit einem Wochenwechsel und einem Temperatursturz. Am Wochenende zuvor hatte der Sommer nochmal alles gegeben – so als wollte er sich für den verregneten und unterkühlten Start im Juni entschuldigen. Uns waren knapp 30 Grad und reichlich Sonne vergönnt. Am Montag, auf den der diesjährige Herbstanfang fiel, halbierte sich die Gradzahl. Ich hatte das bereits am Vortag mit halbem Blick auf die Wetterapp wahrgenommen. Der Blick aus dem Fenster am Morgen machte mich dennoch nervös. Denn die Garderobe der Kinder war noch immer komplett auf Sommer ausgerichtet. Im Flur hängen die dünnen Jacken, Sandalen stehen neben Halbschuhen, diverse Basecaps stehen als Schattenspender zur Auswahl. Doch all das war denkbar unpassend an diesem ersten Herbstmorgen. Also fing ich kurz vor knapp an, nach den Winter- und Herbstsachen zu suchen. Wo sind die dicken Jacken vom Vorjahr? Passen die überhaupt noch? Und was ist mit den Schuhen? Hatten wir nicht vor ein paar Wochen in weiser Voraussicht neue Stiefel gekauft? Wo stehen die eigentlich? All diese Fragen kurz vor Unterrichtsbeginn beantworten zu müssen, hat wenigstens dafür gesorgt, dass ich dank Cortisol nach der Aktion wirklich munter war. Wider Erwarten haben am Ende der Suchaktion alle drei Kinder die Wohnung dem Schmuddelwetter angemessen gekleidet und fast pünktlich verlassen. Die dicken Jacken hängen jetzt ungenutzt im Flur rum. Denn tags drauf war es wieder so warm, dass auch die Sommerjacke noch ausreicht. Das führt dazu, dass wie immer beim Übergang zwischen Sommer und Herbst sowie Winter und Frühling Flurgarderobe, Schuhregal und Kleiderschrank überquellen. Die Sommerjacken können nicht eingemottet werden, weil es noch schöne Spätsommertage gibt. Die warmen Klamotten brauchen wir jetzt aber auch stets griffbereit, damit wir nicht noch so eine Suchaktion starten müssen. Zu den Sandalen und Halbschuhen haben sich die Stiefel gesellt. Unser Flur sieht jetzt jeden Tag so aus, als hätten wir gerade Gäste. Immerhin ist der Nachwuchs alt genug, um sich eben jene Kleidungsstücke allein anzulegen. Ich denke nur ungern an jene Winter zurück, in denen alle Kinder noch Unterstützung beim Anziehen, beim Schließen von Reißverschlüssen, Knopfleisten und Schnürsenkeln benötigten. Vermutlich kennen alle Eltern jene Momente, in denen die komplette Familie an einem schönen Wintertag endlich angezogen und bereits völlig durchgeschwitzt im Flur steht und mindestens einem Kind fällt ein, dass es sich entleeren muss – jetzt, sofort, Aufschub nicht möglich. Da ziehe ich das kurzfristige Wühlen im Kleiderschrank aufgrund eines Wetterumschwungs dann doch vor. Und vielleicht bin ich ja nächstes Jahr einfach besser vorbereitet. Lausitz Mummy: Des Winters neue Kleider
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