lausebande_2021-11_ebook
Aktuelles ‹ 35 auf den Strommärkten bei Familienhaushalten aktuell noch relativ moderat und meist eher mit- telfristig mit der nächsten Heizkostenabrechnung nieder, niemand wird bei uns plötzlich vor unbe- zahlbaren Rechnungen stehen. 3. Das Hoch der Energiepreise ist vorübergehend, Experten rech- nen bis zum Frühjahr 2022, spätestens bis zur Jah- resmitte 2022 mit einer Normalisierung. Für Kurz- und Themen-nur-Anleser sei zudem ein Fazit vorangestellt. Wir merken aktuell, wie wich- tig lokale Wirtschaftskreisläufe sind und das letzt- endlich immer die Versorger vor Ort sichern, das Heizung und Licht zu Hause nicht ausgehen. Wer ständig den Billigtarifen und Werbegeschenken der Anbieter von irgendwo hinterher hechtet, der schwächt nicht nur Arbeit und Wertschöpfung vor Ort, er zahlt offensichtlich auch drauf, wenn es ein- mal eng wird und diese Anbieter ihre Leistung ein- stellen. Ein weiteres Fazit ist, dass es leider keine einfache und verkürzte Erklärung zu den aktuellen Schwankungen der Energiepreise gibt, die im Kon- text von Energiewende, Globalisierung und Staats- finanzen eine immense Komplexität aufweisen. Ursachen der hohen Marktpreise für Energieträger Wer googelt, wird schnell merken, dass die Ursa- chen vielschichtig und ohne Basiswissen nur schwer zu strukturieren sind. Auch wir sind vor Fehlern nicht gefeit, bemühen uns als energiege- ladene „Forensiker“ aber um eine übersichtliche Spurensuche: Pandemie und Globalisierung: Die Coronavirus- Pandemie hat die Weltwirtschaft nachhaltig aus dem Takt gebracht. Infolge weltweiter Lockdowns wurde die Wirtschaft auch global herunterge- fahren. Viele Verwerfungen werden erst jetzt im konjunkturellen Aufschwung aus dem Pande- mietal sichtbar, den sämtliche Industrienationen parallel vollziehen. Man kann sich das durchaus wie bei einem Automotor vorstellen, der beim Anfahren und Beschleunigen aus dem Stand viel mehr Energie als im laufenden Betrieb benötigt und auch mal etwas ruckelt. Mit Bezug zur Welt- wirtschaft beansprucht insbesondere der Ener- giehunger Asiens, vor allem in China und Indien, seit dem Frühjahr 2021 die globalen Energie- bzw. Brennstoffmärkte unerwartet stark. Allein Chi- na hat im ersten Quartal 2021 ein Wirtschafts- wachstum von über 18% hingelegt. Die weltweite Nachfrage nach Mineralöl, Gas und auch weiteren Energieträgern ist auch im zurückliegenden Som- mer ungebrochen hoch geblieben. Exportstaaten für Erdöl und Erdgas haben hingegen ihre För- derquoten nicht entsprechend aufgestockt. Eine hohe Nachfrage trifft also auf ein knappes Ange- bot, was zu höheren Preisen führt. Wetter und Erneuerbare : Der Pandemiewinter 2020/2021 war zudem ein sehr kalter und langer Winter, der mit entsprechend hohem Energiever- brauch einherging. Viele Brennstofflager wurden weitgehend geleert. Das laufende Jahr 2021 liefer- te imVergleich zu den Vorjahren deutlich weniger Sonne und Wind, sodass der Anteil erneuerbarer Energie stark zurückging und deutlich mehr fos- sile Energieträger zum Einsatz kommen mussten. So lieferte der Sommer 2021 rund 20% weniger Sonnenstunden als der Sommer zwei Jahre zu- vor. Die aktuell hohe Nachfrage nach Energie und hohe Marktpreise treffen also auf geringe Reser- ven und weniger Energie aus Erneuerbaren. Diese Lage wird durch die Auswirkungen von Wetter- extremen flankiert: So sorgten Dürren in Brasi- lien für einen Einbruch der Stromerzeugung aus Wasserkraft und ein Hurrican legte im Süden der USA vorübergehend empfindliche Teile der Mine- ralölproduktion lahm. Insgesamt machten viele unterschiedliche Wetterereignisse der Wasser- und Windkraft zu schaffen – auch das wirkt sich auf globalen Energiemärkten aus. Fehlentscheidungen: Die aktuelle Explosion der Energiepreise in Europa fußt rückblickend auch auf Fehlentscheidungen. Nach der Pandemie und dem kaltenWinter reagiertendiemeistenGroßversorger undGashändler sehr verhalten auf die hohen Preise imFrühjahr 2021 und hofften auf fallende Preise im Sommer sowie den Start von Gaslieferungen durch Nordstream 2 zum Jahresende. China und Indien haben die Engpässe hingegen richtig erwartet und bereits frühzeitig im Sommer Lieferverträge abge- schlossen. Nachdem klar wurde, das Nordstrem 2 vor dem Winter 2021/2022 nicht mehr an den Start geht, Russland zudem kein Gas mehr durch die Ukraine schickte und zusätzlich ein Feuer an einer Gaspumpstation die Gaslieferung der einzig verbliebenen Leitung zusätzlich reduzierte, be- schleunigten sich Knappheit beim Gas und dessen Preisanstieg dynamisch. Aktuell stehen weitge- hend aufgebrauchte Reserven also hohen Preisen und knappen Liefermengen gegenüber, für die europäische Versorger nun auch teurer einkaufen müssen.
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