lausebande_2021-11_ebook

40 › Aktuelles Der spürbare Preisanstieg Wie schnell Verbraucher den Preisanstieg selbst spüren, hängt vom Energieträger und ebenso von unterschiedlichen Faktoren ab. Energieträger werden in großen Mengen anhand von Erwartun- gen und Erfahrungen bereits weit im Voraus an Börsen gehandelt und eingekauft. Auf anderen Märkten wird wiederum der Teil der Energie ge- handelt, der kurzfristig zusätzlich benötigt wird. Er kann je nach Nachfrage und Angebot über oder unter den ursprünglichen Börsenpreisen liegen. Trifft wie derzeit eine deutlich größere Nachfrage auf ein verknapptes Angebot, können sich Preise an diesen kurzfristigen Märkten vervielfachen. Beim Gas hat sich der Preis für den langfristigen Einkauf im Vergleich zum Vorjahr etwa verdop- pelt – der kurzfristige Großhandelspreis ist zwi- schen Januar und Oktober um rund 440 Prozent gestiegen. Er beträgt sogar das 16-fache gegen- über dem Tiefststand im Juni 2020. Im Ergebnis ist der Erdgaspreis für Haushalte gegenüber dem Vorjahr bereits um rund 4 bis 5 % gestiegen, hier sind die aktuellen Preissteigerungen aber noch nicht berücksichtigt. Beim Strom zahlen Verbrau- cher inzwischen ebenso rund vier Prozent mehr als 2019. Auch hier wird sich der gestiegene Gas- preis noch stärker auswirken, da in diesem Jahr auch deutlich mehr teures Gas die Stromerzeu- gung absichern muss. Beim Mineralöl wirkt sich der Börsenpreis unmittelbar aus, an der Tankstel- le sind Preisveränderungen für Verbraucher quasi täglich nachvollziehbar. Die Mehrbelastung für Familienhaushalte lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Verivox weist im Oktober 2021 Gaskosten in Höhe von 1.402 Euro für einen durchschnittlichen Haushalt in Deutschland mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden aus – das ist eine Preis- steigerung um 28 % bzw. rund 306 Euro auf der Jahresrechnung. Laut dem Portal Check24 sind die Heizkosten in Deutschland im September im Vergleich zum Vorjahr sogar um 33 Prozent gestiegen. Heizöl ist inzwischen im Schnitt um knapp 90 % teurer als vor einem Jahr und kann im bevorstehenden Winter noch teurer werden. Energie kostete im Herbst 2021 im Durchschnitt 14,3 % mehr als im Vorjahr. Allerdings muss man diese in vielen Medien überhöhten Zahlen auch relativieren. So gehen die Vergleiche meist vom Pandemiejahr 2020 und somit einem extrem niedrigen Ausgangsniveau bei den Rohstoffprei- sen samt der vorübergehenden Mehrwertsteuer- senkung im zweiten Halbjahr 2020 aus. Deutschland ist mit dem Problem allerdings nicht allein. Während der Strom an der Börse in Deutschland seit Januar um rund 140 Prozent teurer geworden ist, sind es in Italien 340 Prozent und in Spanien sogar 425 Prozent. Der Grund liegt in den unterschiedlichen Versorgungsverträgen und im unterschiedlichen Einkaufsverhalten der Versorger, hier agiert Deutschland eher lang- fristig. Energieunternehmen decken sich hier- zulande über längere Zeiträume mit Ressourcen ein, die Verträge, die sie mit ihren Kunden ab- schließen, gelten für ein oder zwei Jahre. Dadurch schlagen sich Preiserhöhungen bei Energie nicht so schnell bei den Verbraucherpreisen nieder. Kurzfristig agierende Länder sind stärker von der aktuellen Situation betroffen. In Großbritannien etwa ist die Lage so ernst, dass Industriebetriebe ihre Produktion einstellen mussten. Dauer des Preistableaus Erste Staaten Europas setzen Energiesteuern aus oder frieren Energiepreise ein. Auch in Deutschland wird über Maßnahmen diskutiert – allerdings stehen kleine Unternehmen und ein- kommensschwache Haushalte im Fokus. Eher leistungsstarke Familien mit zwei arbeitenden El- ternteilen und hohem Energieverbrauch dürften einmal mehr keine Berücksichtigung finden. Zu- dem scheint es mehr als fraglich, ob die Bundesre- Bei Spritpreisen sind Veränderungen sofort am Tankpreis spürbar, bei Strom und Gas merken wir sie eher mittelfristig. Foto: istock, toncd32

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