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dem anderen Geschlecht zugeordnet zu werden
und sich dem zugehörig fühlen zu können.
Doch warum diese Unterscheidungen? Die rein
biologischen Unterschiede zwischen Männern
und Frauen sind mehr als offensichtlich. Wenn in
diesem Zusammenhang von „Typisch männlich
und typisch weiblich“ die Rede ist, fallen äußerli-
che Merkmale wie der Bartwuchs oder Brüste ins
Auge. Egal wie viel oder wenig von diesen Merk-
malen beim jeweiligen Geschlecht gegeben ist, sie
sind vorhanden und beim anderen im Regelfall
nicht. Diese Unterschiede sind also gegeben und
ohne (medizinische) Fremdeingriffe nicht verän-
derbar. Das erklärt aber noch nicht, warum Jungs
vermeintlich lieber mit Baggern und Mädchen mit
Barbies spielen. John Money ging davon aus, dass
Kinder sich erst ab dem dritten Lebensjahr ihrem
biologischen Geschlecht zugehörig fühlen. Um die-
se Theorie zu beweisen, unternahm er ein ethisch
äußerst fragwürdiges Experiment. Er ließ an einem
fast zwei Jahre alten Jungen eine Geschlechtsum-
wandlung durchführen. Dem Kind wurde nichts
von diesem Eingriff mitgeteilt und die Eltern zogen
es als Mädchen auf. Dieses Experiment scheiterte
jedoch auf ganzer Linie: Das Kind wollte sich ein-
fach nicht wie ein Mädchen verhalten – es mochte
Bagger, keine Barbies. In späteren Lebensjahren
wurde es von seiner Geschlechtsumwandlung in
Kenntnis gesetzt. Er änderte seinen Namen in ei-
nen Jungennamen und nahm sich im Alter von
knapp vierzig Jahren das Leben. Dieses Experiment
konnte also in keiner Weise die Theorie Moneys
bestätigen und wirft generell viele Fragen auf. Was
aber deutlich wird ist, dass es nicht einfach ist von
„typisch Junge, typisch Mädchen“ zu reden.
Heutzutage wird weitestgehend davon ausge-
gangen, dass es sich bei der Typisierung von Ge-
schlechtern nicht nur um den Einfluss von Genen
oder der Entwicklung des Gehirnes, sondern in
größtem Umfang um Sozialisationseinflüsse han-
delt, also die Prägung eines Menschen durch sein
Umfeld.
Ball und Ballett
Blau vs. Rosa. Bagger vs. Barbie. Das eine
ist für Jungen und das andere für Mäd-
chen, das weiß doch jeder. Die einen spielen Fuß-
ball, die anderen tanzen Ballett. Typisch Mädchen
und typisch Junge eben. Doch gibt es das wirklich,
dieses Typische? Und was ist dann untypisch? Wie
sollten sich Jungen und Mädchen verhalten und
wieso sollten sie überhaupt? Und was machen El-
tern, wenn sie der Meinung sind, dass irgendetwas
untypisch ist? Sind die Unterschiede zwischen den
Geschlechtern genetisch bedingt, hausgemacht
oder nur in unserer Wahrnehmung vorhanden?
Unzählige Wissenschaftler und Experten haben
sich bereits mit dem Thema auseinandergesetzt. In
den Sozialwissenschaften wurde dafür der Begriff
der „Gender Studies“ eingeführt.
Gender... was?
Der amerikanische Psychologe und Sexologe John
Money führte den Begriff Gender erstmals in die
wissenschaftliche Auseinandersetzung ein. Gender
beschreibt Geschlechtermerkmale in Abgrenzung
zum biologischen Geschlecht, dem fachsprachlich
sogenannten Sex. Das heißt, darunter fällt alles,
was von der Gesellschaft in einem Kulturkreis als
typisch männlich bzw. typisch weiblich angesehen
wird. Beispiele dafür sind: Mädchen tragen Klei-
der und Röcke, Jungen nicht (abgesehen von den
Schotten), Mädchen schminken sich, Jungs höchs-
tens zum Fasching.
„Der Begriff Geschlechtsrolle (gender role) wird
benutzt, um all jene Dinge zu beschreiben, die eine
Person sagt oder tut, um sich selbst auszuweisen als
jemand, der oder die den Status als Mann oder Jun-
ge, als Frau oder Mädchen hat.“ (Money, 1955)
Money wollte damit eine Begrifflichkeit finden,
die das Erleben und Empfinden von Menschen
beschreiben kann, die ohne ein eindeutiges bio-
logisches Geschlecht geboren wurden. Mit diesem
Fachbegriff sollte es möglich sein, dem einen oder
Redaktion: Coline Erdmann (zwei helden), Foto links: Steffen Schwenk (light-impression.de)
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Pink Vader
Was ist heute noch typisch Junge, typisch Mädchen?